Teuflische Schwester
Waschküche?«
entgegnete Ellen. »Letzte Nacht hatten wir ja auch keinen
Nebel.«
Behutsam stiegen sie die Holztreppe zwischen den zwei
Grundstücken hoch. Wie Cyndi gehofft hatte, lichtete sich
der Nebel oben ein bißchen. Um sich herum erkannten sie
wenigstens Baumstämme. Die Kronen schienen sich
allerdings im Nichts aufzulösen.
»Komisch, was?« flüsterte Ellen. »Als wären wir hier
am Ende der Welt.«
Sie liefen hastig weiter. Nach ein paar Metern ragte vor
ihnen das Haus der Chalmers im Nebel auf. Dann wurde
der Nebel wieder dichter, und das Haus versank
allmählich, als hätten die Schwaden es
verschlungen.
Cyndi konnte ein leises Keuchen nicht mehr unterdrücken.
Panik kroch in ihr hoch. »Komm«, drängte sie. »Gehen
wir zu dir.«
Sie machten wieder ein paar eilige Schritte. Obwohl sie
sich weiter vom Meer entfernten, schien sich der Nebel
noch zu verdichten. Wie der kalte Atem eines Scheintoten
frischte auf einmal wieder die Brise auf.
Es war jetzt fast stockdunkel. Ellen spürte einen Schlag
an der Wange. Sie schrie auf, mehr aus Schreck als vor
Schmerz. Weil sie abrupt stehengeblieben war, lief Cyndi
auf sie auf.
»Was ist? Warum bleibst du stehen?«
»Mi-mich hat was ins Gesicht geschlagen«, erklärte
Ellen. Zaghaft tastete sie ins Dunkel vor sich. Im nächsten
Augenblick bekam sie die stechenden Nadeln eines
Fichtenzweigs zu fassen. »Nur ein Zweig«, flüsterte sie
und ging erleichtert weiter. Sie hatte keine zwei Schritte
getan, als sie wieder wie angewurzelt stehenblieb.
Vor ihr, im Nebel, hatte sich etwas bewegt.
Undeutlich, schemenhaft, kaum mit dem Auge
wahrzunehmen.
Aber es war da.
»Sch-schau!« flüsterte sie und packte Cyndi bei der
Hand.
Im nächsten Augenblick stand sie neben ihr. »Was ist
denn?« zischelte Cyndi.
Ellen spähte angestrengt in den schwarzen Nebel.
Wo gerade noch etwas gewesen war, schien jetzt nichts
mehr zu sein. Das heftige Pochen in ihrer Brust ließ etwas
nach. »Ich weiß auch nicht. Ich dachte …«
Cyndis Hand schloß sich fester um die ihre. Der Nebel
hatte sich etwas gelichtet, und sie erblickten eine
sonderbare Gestalt. Sie schien wenige Zentimeter über
dem Weg zu schweben.
Eine weiße, fast formlose Gestalt.
»O Gott«, flüsterte Cyndi. »Was ist das, Ellen?«
»Ich … ich weiß auch nicht.« Ellen versagte fast die
Stimme vor Angst. Sogleich schloß sich der Nebel wieder,
und die unheimliche Erscheinung war verschwunden.
Cyndi zitterte wie Espenlaub. Sie klammerte sich so fest
an Ellen, daß ihr die Hand wehtat. »Was sollen wir tun?
Sollen wir zum Strand zurück?«
Ellen wollte schon nicken, doch ihr fiel wieder ein, daß
sie dort unten keinerlei Orientierung hätten.
»Nein«, flüsterte sie. »Gehen wir lieber weiter.
Vielleicht war es nichts.«
Aber in der undurchdringlichen, feuchtkalten Nacht
vermochte sie kaum den eigenen Worten zu trauen.
Sie schlichen weiter, doch plötzlich ging von den
Bäumen eine unsichtbare Bedrohung aus. Von überall
hörten sie das Knacken winziger Zweige und das Keuchen
verborgener Wesen. Sie wußten nicht, wohin, aber sie
gingen weiter. Das Entsetzen trieb sie.
Und plötzlich hörten sie in ihrem Rücken ein neues
Geräusch, lauter als die anderen.
Es war ein Stöhnen. Ein leises, angstvolles Stöhnen. Sie
blieben wie angewurzelt stehen.
»W-was ist das?« hauchte Ellen.
»Ich weiß auch nicht!« wimmerte Cyndi. Ihre Stimme
erstickte in einem Schluchzen.
Ellen drehte sich langsam um. Sie zwang sich, noch
einmal in die dunklen Bäume zu starren.
Abermals zerriß der Wind die dichten Nebelschleier.
Die Gestalt stand jetzt hinter ihnen. Eindeutig war ein
Mädchen zu erkennen. Das Gesicht war hinter einem
Schleier verborgen. Sie trug ein weißes Ballkleid.
Die Gestalt stand regungslos da. Sie starrte sie nur
unentwegt an.
Und dann hob sich ganz langsam ihr rechter Arm, und
der Zeigefinger richtete sich auf sie.
Ellen konnte den Blick nicht davon wenden. Panik
schwappte in ihr hoch. Ein Schrei bildete sich in ihrer
Kehle. Sie wirbelte herum und rannte davon. Sie merkte
nicht, wie ihr die Fichtenzweige ins Gesicht peitschten,
wie der Wein seine Ranken um ihre Füße schlingen
wollte.
Dicht hinter ihr versuchte Cyndi Miller verzweifelt
Schritt zu halten. Sie wollte nur noch fort von dieser
grausigen Erscheinung im Nebel.
Jeff Barnstable und Kent Fielding liefen über den Rasen
auf das weitläufige Schindeldachhaus der Fieldings zu, als
sie Ellen schreien hörten.
Im ersten
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