Teuflische Schwester
Melissas Perlen immer noch dort, wo sie sie
vor ein paar Tagen entdeckt hatte. Teri hatte sie längst an
sich genommen und in der eigenen Kommode verstaut, als
Phyllis mit Melissa den Weg zum Speicher antrat.
Es hatte wie am Schnürchen geklappt.
Sie erreichte jetzt den Treppenabsatz oben und stieß die
Tür auf. Die schon lange nicht mehr geölten Angeln
stimmten ein Protestgeheul an. Teri fuhr erschreckt
zusammen, beruhigte sich aber schnell wieder. Sie war ja
am anderen Ende des Hauses. Das Knarzen war drüben
unmöglich zu hören.
Langsam tastete sie sich durch den dunklen
Speicherraum weiter und erreichte schließlich die Truhe
mit dem Hundekadaver. Bis sie den toten Blackie
herausgewuchtet, den Deckel wieder ordentlich zugemacht
hatte und mit dem schweren Gewicht auf den Armen vor
der Hintertür in der Küche auftauchte, vergingen fünf
Minuten.
Am Horizont deutete ein schwaches Schimmern den
nahenden Morgen an. Rasch hellte sich jetzt die
tiefschwarze Nacht um sie herum auf.
Vom vielen Schleppen taten ihr allmählich die Arme
weh. Sie holte noch einmal tief Luft und nahm das letzte
Stück Weg in Angriff. Sie mußte ihn nur noch über den
Rasen tragen.
Da packte sie lähmendes Entsetzen.
Von irgendwo in der Dunkelheit folgte ihr ein Paar
Augen.
Aber das konnte nicht sein. Im Haus war es doch dunkel,
und alle schliefen.
Sie drehte sich um und ließ die Blicke noch einmal über
das Haus schweifen. Hinter den Fenstern war alles dunkel
und friedlich. Doch dann registrierte sie ein kaum
wahrnehmbares Flackern.
Im Speicher oben!
Beobachtete sie da jemand hinter der Dachluke?
Regungslos stand sie da und starrte hinauf. Aber je heller
es wurde, desto entschiedener glaubte sie an einen Irrtum.
Dort oben war nichts, keine Augen, die ihr folgten.
Ihr konnte nichts passieren.
Sie lief am Swimmingpool vorbei und blieb noch einmal
mißtrauisch vor Coras Häuschen stehen. Da sich nichts
rührte, lief sie weiter auf den halb verfallenen Schuppen
hinter der Garage zu.
»Wozu ist denn der gut?« hatte sie Melissa letzthin
gefragt.
»Ach, da haben die Gärtner ihre Pflanzen gezogen,
bevor sie sie in die Beete draußen eingesetzt haben. So
hatten wir immer blühende Blumen. Aber der Schuppen
wird seit Jahren nicht mehr benutzt.«
»Warum reißt ihr ihn nicht ab? Er stürzt ja ohnehin bald
ein.«
»Das stimmt«, hatte Melissa gekichert. »Aber jedesmal,
wenn Daddy es sich vornimmt, protestiert Mom, weil sie
dann plötzlich immer Pläne dafür hat. Einmal wollte sie
eine Galerie daraus machen und später irgendwann eine
Keramikwerkstatt. Aber daraus wird nie etwas. Sie kommt
nicht einmal in seine Nähe.«
Das hatte Teri auf den Schuppen gebracht.
Sie ließ Blackie fallen und machte die Tür auf. Bei ihrer
Inspektion des Schuppens hatte sie lose Bohlen entdeckt.
Es bereitete ihr keinerlei Mühe, drei davon abzunehmen.
Jetzt konnte sie Blackie zum letztenmal hochheben.
Nach einer Minute war alles vorüber. Die Bohlen lagen
wieder ordentlich an Ort und Stelle, und sie verließ den
Schuppen so, wie sie ihn angetroffen hatte.
Nur daß jetzt Blackies Kadaver im Hohlraum unter dem
Holzboden lag.
Es ist alles gut, flüsterte D’Arcys Stimme. Ich gehe jetzt
weg, und du kannst unbekümmert aufwachen.
Langsam kam Melissa zu sich. Im ersten Moment
flatterten ihre Augen, dann erkannten sie Phyllis, die
gerade den letzten Riemen aufschnallte. Beim Anblick der
Fesseln erstarrte sie sofort wieder, doch nach der ersten
Schrecksekunde war sie wach genug, um zu erkennen, daß
diese Nacht überstanden war. Durch die Fenster flutete das
Sonnenlicht herein.
»Wie spät ist es?« wollte sie wissen.
Phyllis zog die Augenbrauen hoch. »Ach, du hast dich
doch noch dazu durchgerungen, mit mir zu sprechen?«
Melissa blickte sie verständnislos an.
»Bitte, Melissa. Warum tust du mir das immer an?«
»W-was denn nur?« In Melissa schrillten sämtliche
Alarmglocken. War es denn möglich, daß sie heute schon
wieder etwas falsch gemacht hatte? Sie war doch eben erst
aufgewacht!
Und dann brach wieder die Erinnerung an die
Erscheinung auf dem Speicher über sie herein. War ihre
Mutter ihr deswegen noch böse? Das war wirklich
ungerecht!
Sie hatte doch Blackie dort oben gesehen und …
Phyllis riß sie mit ihrer durchdringenden Stimme aus
ihren Gedanken. »Meinst du etwa, ich hätte es nicht
gemerkt? Mich kannst du nicht täuschen, mein Fräulein.
Ich weiß doch, daß du schon wach warst, als ich
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