Teuflische Schwester
reinkam.«
Wach? Wovon redete ihre Mutter da? »Aber ich …«
Ein wütender Blick ließ sie verstummen.
»Lüg mich nicht an, Melissa. Ich weiß, daß du die
Riemen haßt, aber sie sind nur zu deinem Besten. Was
meinst du, was in mir vorgeht, wenn du einfach zur Decke
starrst und so tust als würdest du noch schlafen, wenn ich
reinkomme? Wenn du mir keinen guten Morgen wünschen
willst, soll es mir auch recht sein, aber verkauf mich nicht
für dumm!«
Mit einem Schlag begriff Melissa.
Nicht sie war es gewesen, die vorhin wach dagelegen
hatte.
D’Arcy hatte über sie gewacht, damit sie schlafen
konnte. Sie fröstelte beim Gedanken, wie D’Arcy so etwas
ertragen konnte. Sie selbst bekam ja schon beim Anblick
dieser schrecklichen Fesseln panische Angst. Aber D’Arcy
schienen sie nicht das geringste auszumachen.
»Es … es tut mir leid, Mama«, murmelte sie. »Ich … ich
war wohl noch nicht richtig wach.«
Phyllis ließ die Entschuldigung gelten. »Na schön«,
meinte sie etwas besänftigt. »Es ist gleich acht. Teri und
ich haben schon gefrühstückt. Wir gehen jetzt zum Club.«
Melissa antwortete mit einem mechanischen Nicken, und
im nächsten Augenblick war ihre Mutter verschwunden.
Erleichtert stellte Melissa sich unter die Dusche. Als sie
wenig später ihre ausgewaschene Lieblingsjeans anzog,
drang Todds Stimme von draußen an ihre Ohren.
»Blackie! Komm schon, mein Kleiner. Hierher,
Blackie!«
Melissas Herz machte einen Satz. Also hatte sie sich
doch geirrt, wenn Todd jetzt nach seinem Hund rief.
Doch da fielen ihr wieder die Perlen ein. Sie rannte zur
Schublade, in der sie sie immer aufbewahrte.
Sie lagen so da, wie sie sie zuletzt hingelegt hatte.
Sie streifte sich schnell ein T-Shirt über und lief zum
Fenster. Todd schlich am Waldrand herum und rief alle
paar Meter nach seinem Hund. Eine schreckliche Ahnung
schnürte ihr die Kehle zusammen.
Sie schlüpfte in ihre Sandalen und eilte die Treppe
hinunter. Cora arbeitete allein in der Küche. Lächelnd
deutete sie mit dem Kinn auf ein Glas Orangensaft.
»Deine Mama und Teri sind schon weg«, sagte sie. »Ich
habe dir den Saft aufgehoben. Der Schinken ist gleich
fertig. Möchtest du Rührei?«
Melissa schüttelte den Kopf. Cora sah sie beunruhigt an.
»Stimmt was nicht, mein Liebes? Du siehst so …«
»Blackie ist weg, nicht wahr?«
Cora stockte der Atem. »Na ja, ich weiß nicht, ob man
das so sagen kann, aber …«
»Aber er ist weg«, beharrte Melissa. Die Wahrheit war
in Coras Gesicht deutlich abzulesen.
»Na ja«, gab die alte Haushälterin zu. »Er ist in der
Nacht nicht heimgekommen. Aber ich habe Todd auch
schon gesagt, daß das bei einem Rüden ganz normal ist. Er
braucht ja nur eine läufige Hündin zu wittern, und dann ist
es ganz natürlich, wenn …«
Melissa hörte nicht mehr hin. Sie schoß durch die Tür
hinaus auf die Veranda und den Rasen. Im Laufen schrie
sie schon nach Todd, der gerade im Wald verschwinden
wollte.
Todd drehte sich überrascht um. Wenige Sekunden
später stand sie keuchend neben ihm.
»Er ist verschwunden, nicht wahr?« japste sie.
»Woher weißt du das denn?« fragte er stirnrunzelnd.
Melissa zögerte. Ihre Mutter hatte sie ja entsetzlich böse
angeschaut, als sie ihr erzählt hatte, sie hätte Blackie tot
vom Dachsparren hängen sehen. Würde Todd sie genauso
ansehen? »I-ich habe ihn in der Nacht gesehen«, sagte sie.
»Oder zumindest glaube ich, daß er es war.«
Todd sah sie fragend an. »Hast du ihn gesehen oder
nicht?«
»Na ja, ich weiß es nicht. Mama meint, daß ich einen
Alptraum hatte oder das alles erfunden habe. Aber das
stimmt nicht!« Stockend erzählte sie ihm, beginnend mit
den unheimlichen Schritten auf dem Speicher, die ganze
Geschichte. Als sie fertig war, legte sich Todds Stirn in
tiefe Falten.
»Und als deine Mom mit dir raufgegangen ist, war
absolut nichts mehr oben?«
»Nichts außer einer läppischen alten Gliederpuppe mit
einem weißen Kleid.«
»Gliederpuppen hinterlassen keine Fußspuren. Gehen
wir doch mal rauf. Vielleicht finden wir was.«
Melissas Augen weiteten sich etwas. »Meinst du
wirklich?«
»Warum nicht? Es ist ja kein Einbruch. Oder hat dir
deine Mom verboten, da raufzugehen?«
Auf Melissas Kopfschütteln hin liefen die zwei zum
Haus zurück.
Zwanzig Minuten später war die Durchsuchung vorüber.
Die Gliederpuppe stand noch an Ort und Stelle. Von
Blackie war keine Spur zu sehen.
»Es könnte natürlich ein Traum gewesen sein«, meinte
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