Teuflische Stiche
Konnert.
» Es sieht so aus, als hätte der Freiherr seine Forschungsergebnisse in einer Geheimsprache notiert.«
» Merde!«
» Das könnte Klingonisch aus der Serie Raumschiff Enterprise sein. Oder Baronh aus der Romanreihe Seikai no Monshô. Oder eine von ihm selbst erfundene Sprache. Aber es gibt Programme, die solche fiktionalen Sprachen entschlüsseln und übersetzen.«
» Wer macht das?«
» Ich nicht. Wir haben weder die entsprechende Software, noch die Mittel, sie anzuschaffen. Vielleicht die KTU im Landeskriminalamt in Hannover oder der Verfassungsschutz.«
Konnert kramte eine Pfeife hervor und schob sie sich zwischen die Zähne.
» Hier ist Rauchverbot.«
» Ich rauche ja nicht. Ich muss nur auf etwas beißen.«
***
Statt zu seiner Tochter fuhr er zurück zur schönen Gertrud. Sie öffnete nach dem ersten Klingeln. Ihre nackten Füße steckten in bunt bestickten orientalischen Hausschuhen mit nach oben gebogenen Spitzen. Über einem schwarz-roten Kaftan trug sie ein Hüfttuch. An ihm hingen glitzernde Glassteine und goldene Perlen. Ihr Gesicht war ungeschminkt und wirkte auf Konnert müde.
«Kommen Sie herein.«
Sie gingen in den Raum, in dem der Flügel stand und der Konnerts Blick anzog. »Mein Mann hat vorzüglich gespielt. Ich kann es nicht. Für Klavierstunden haben meine Eltern kein Geld ausgegeben. Musik ist Luxus gewesen. Ein Haus zu kaufen und zu erhalten, das ist ihr höchstes Ziel gewesen. Sie haben es erreicht. Meine Schwester und ich sind aufgrund dessen nicht aufs Lyzeum geschickt worden. Sie musste Verkäuferin lernen, und ich habe eine Stelle als Hausmädchen bei einem Pastor in Rastede bekommen … Warum erzähle ich Ihnen das eigentlich? Deshalb sind Sie doch nicht gekommen, Herr Kriminalhauptkommissar, oder?«
Konnert erinnerte sich an die Lobhudelei der Frau bei ihrer ersten Begegnung in der Polizeiinspektion. Jetzt hatte sein Titel einen spöttischen Unterton bekommen. Während er sich auf ein grün bezogenes Kanapee setzte, dachte er: Wenn von Eck der Schlüssel zur Lösung des Falls ist, dann ist die schöne Gertrud der Ring, an dem er hängt.
» Ein Glas Wasser?« Die Frage blieb im Raum hängen.
» Um es gleich zu sagen, ich möchte herausfinden, wo sich Sibelius von Eck zurzeit aufhält. Am vorletzten Freitag haben Sie mich gebeten, ihn zu suchen. Jetzt bitte ich Sie, mir zu helfen, ihn zu finden.«
» Kein Wasser?«
» Nein, danke. Bitte seien Sie mir behilflich.«
Die schöne Gertrud setzte sich auf einen zum Sofa passenden Sessel und schlug ihr linkes Bein über das andere. Sie wippte mit der Fußspitze, als hätte sie die Frage nicht gehört.
Ein Glöckchen fehlt noch am Pantoffel, schoss es Konnert durch den Kopf. Er sagte: »Von Eck war hier im Haus. Das wissen wir. Sie haben ihn an Frau Büsinger vorbei zurück in die Stadt geschleust. Wohin haben Sie ihn gebracht?«
Sie stellte beide Füße nebeneinander, beugte sich ein wenig vor und betrachtete das Stickmuster ihrer Hausschuhe und schwieg.
» Frau …«, Konnert stockte und setzte noch einmal an. »Sollte von Eck eine Straftat begangen haben, und Sie unterstützen die Ermittlungen nicht, behindern sie sogar, kann das zu ernsten Konsequenzen für Sie führen.« Ich rede wie Venske, mit Unterstellungen und Drohungen.
Bevor er sich berichtigen konnte, schnellte der Zeigefinger der schönen Gertrud vor. Ihre Stimme blieb jedoch ruhig. »Sie gelten als ein frommer Mann, der eigentlich unterdrückte Menschen beschützen sollte. Darum bin ich voller Vertrauen zu Ihnen gekommen. Aber statt die Hand über Sibelius zu halten, jagen Sie ihn. Er hat mir erzählt, dass Kollegen von Ihnen ihm aufgelauert haben. Als er sich trotzdem zu Ihnen auf die Friedhofsbank gesetzt hat, wollten Sie ihn festnehmen. Sie haben seine Wohnung durchsucht. Und wenn Sie ihn zu fassen bekommen, dann lassen Sie ihn als Mörder von Renate verurteilen. Das werde ich zu verhindern wissen.« Nach kurzem Nachdenken fügte sie hinzu: »Koste es, was es wolle.«
Konnert blieb ruhig, musste aber die Lippen zusammenpressen.
» Ich sage Ihnen was. Einmal ist ein Mensch durch die Schuld meiner Familie zu Tode gekommen. Ein Onkel von mir hat in der Weltwirtschaftskrise seine Anstellung verloren und ist bettelnd von Dorf zu Dorf gezogen. Das ist noch so gewesen, als die Nazis ein paar Jahre später an die Macht gekommen sind, er hat nicht von ihrem Aufschwung profitieren können. Sie haben ihn als arbeitsscheu bezeichnet. Wer nicht arbeitet,
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