Teuflische Stiche
aufgeräumt und könnte lange über alle Berge sein. Warum bleibt er? Was hat er vor?
Es fiel ihm schwer, sich einzufühlen. Was hätte er gemacht? Er wäre natürlich zur Polizei gegangen und hätte sich gestellt. Aber ich bin nicht der Freiherr, war ihm klar. Ich will Böses verhindern. Er will Gutes schaffen. Ich sitze hier rum und denke nach. Er hat schon nachgedacht und ist aktiv. Er will unbedingt selbst sein Medikament auf den Markt bringen. Nein, ihm geht es nicht um Geld. Er braucht den Ruhm, die Genugtuung, den Trost, dass er eine Medizin gefunden hat, die seinen Bruder gerettet hätte. Wenn er weiß, dass Pauschler am selben Thema dran ist, wird er wahrscheinlich alles unternehmen, damit der ihm nicht zuvorkommt.
Mit der kalten Pfeife zwischen den Zähnen nickte er einer Friedhofsbesucherin zu. Er meinte, sie schon öfters hier gesehen zu haben.
Sie sprach ihn an. »Immer wenn ich Sie hier sehe, sitzen Sie mit Ihrer Pfeife auf einer Bank. Wohnen Sie hier in der Nähe und Ihre Frau lässt es nicht zu, dass Sie in der Wohnung rauchen? Oder darf sie von Ihrer Qualmerei nichts wissen?« Nachsichtig lächelte sie. »Wie ein fünfzehnjähriger Junge hocken Sie hier und paffen heimlich.«
»Ich bin nicht verheiratet. Ich brauche Ruhe zum Nachdenken.« Obwohl Konnert sich um eine freundliche Aussprache bemühte, spürte die Frau dennoch seine Ungeduld und entschuldigte sich für die Störung.
Ich kann mich nicht verstellen. Ich tauge nicht zum Schauspieler. Wo war ich mit meinen Überlegungen?
Sein Handy vibrierte in der Hosentasche. Als er es endlich am Ohr hatte, hörte er Stephanies Stimme. »Du wolltest wissen, wann die Beerdigung vom Ehepaar Dreher ist. Morgen um elf Uhr, Neuer Friedhof.«
Als Konnert nichts sagte, fragte sie nach: »Wo bist du?«
»Eben da, auf dem Neuen Friedhof. Ich komme gleich ins Kommissariat.«
»Darf ich wissen, was du auf dem Friedhof machst?«
»Das erzähle ich dir später einmal.«
***
Im Tagesaufenthalt spielten drei Männer Skat. Babsi hielt sich an die wenigen Frauen, die Kaffee tranken oder sich vor der Tür aufhielten. Sie hatte den Eindruck, ihre Fragen nervten die Besucher. Kurze, patzige, auch drohende Antworten hatte sie bekommen.
Geduldig wartete sie auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig auf weitere Obdachlose. Prompt wurde sie von einem Mann angesprochen und nach dem Preis für eine halbe Stunde mit Französisch gefragt. Erst war sie irritiert, dann begriff sie, wo sie am Bordstein stand.
Eine Frau mit zwei Tragetaschen und einem Rucksack auf dem Rücken kam die Straße herunter. Sie sprach kurz mit den anderen Frauen, sah zu ihr hinüber und überquerte danach die Fahrbahn.
»Die haben gesagt, Sie wollen was über den Freiherrn wissen. Ich habe keine Ahnung, wo er steckt. Aber ich weiß, was er so treibt. Er hat mir nämlich mal Geld versprochen, falls ich ihm behilflich sein wolle. Ich habe gedacht, er wolle mich ficken, und Angst gehabt, er würde abartige Sachen von mir verlangen. Heute weiß ich, er hat Frauen aus der Szene eine Krankheit gespritzt. Wenn es ihnen danach dreckig gegangen ist, mussten sie zu ihm kommen und haben ein Medikament zu trinken gekriegt. Davon haben sie die Scheißerei bekommen und mussten dauernd kotzen.«
»Ist es den Frauen danach wieder gut gegangen?«
»Muss ja wohl, sonst hätten sie es mir ja nicht erzählen können.«
»Und sie haben Geld dafür bekommen?«
»Davon haben sie mir nichts erzählt. Ich weiß nur, dass sie nicht mehr in den Tagesaufenthalt kommen. Sie haben jetzt eine gemeinsame Wohnung und sind in einem Programm der Agentur für Arbeit.«
»Das ist ja klasse.«
»Der Lederne ist mit den Frauen dort gewesen.«
»Ich würde mir gern Ihren Namen notieren.«
»Nee, das will ich nicht.«
»Es gibt eine Belohnung für sachdienliche Hinweise.«
»Nee, mit der Polizei will ich nichts zu tun haben.«
»Ich bin von der Polizei.«
»Weiß ich. Aber Sie wissen nicht, wie ich heiße.«
***
Vor der Schranke hielt der Transporter von Hans-Gerhard Struß. Pauschlers Pharmazeutische Werke lagen vor ihm im Schein der untergehenden Sonne. Er zeigte dem Wachhabenden den Durchsuchungsbeschluss und befahl: »Die Schranke hoch! Ein bisschen plötzlich!« Der Typ Bodyguard beeilte sich, und die kleine Kolonne fuhr zum Verwaltungsgebäude vor.
Struß klopfte an der Tür zum Vorzimmer des Chefs und betrat das Zimmer, ehe die Sekretärin »Herein« sagen konnte. Ein kurzer Blick nach rechts. Er registrierte
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