Teuflische Stiche
Der Freiherr? Weshalb hat er sie dann wieder auf den Fußboden und nicht aufs Sofa oder sein Bett gelegt? Sollten wir sie so finden, wie sie vor dem Putzen gelegen hatte?
Venske steckte seinen Kopf zur Tür herein. Sein Chef brummte vor sich hin. »Putzfimmel.«
»Was sagst du?«
»Ich komme gerade darauf, dass von Eck wahrscheinlich unter einer Zwangsstörung leidet. Er kann es nicht ertragen, wenn etwas in seiner Nähe schmutzig ist.«
»Reinlichkeitswahn und Mann? Das passt doch nicht zusammen.«
»Aber gepaart mit einem Ordnungszwang und der Angst, krank zu werden, gibt es das häufiger. Denk an die Bücher. Millimetergenau an der Vorderkante der Regalbretter ausgerichtet. Wie hat es in den Küchenschränken ausgesehen?«
»Messer, Gabeln und Löffel nicht nur getrennt, sondern jeweils auch parallel nebeneinandergelegt. Du könntest Recht haben. Selbst die Gläser und Töpfe waren in Reih und Glied der Größe nach geordnet und so gut wie klinisch rein.«
»Bringt uns das weiter?«
»Zumindest verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass der Freiherr nicht ganz dicht ist. Dem fehlen ein paar Latten am Zaun.«
»Und?«
»Leute mit psychischen Problemen sind unberechenbar. Wenn ich nur an die Demo heute denke. Der Dreck muss weg. Die haben doch auch nicht alle beisammen.«
»Nun ist gut, Bernd.«
Venske zog sich hinter seinen Schreibtisch zurück, und Konnert suchte in einer Schublade nach einem Vergrößerungsglas. Er betrachtete ein Foto der Toten. Ihre Augen waren geschlossen. Hatte das der Freiherr getan? Wir müssen ihn unbedingt finden und noch einmal so lange befragen, bis der Hergang geklärt ist! Er schob die Fotos zur Seite, dabei fiel die Akte vom Selbstmord im Holter Moor vom Tisch. Beim Aufheben kam ihm Karl Dreher in den Sinn. Er telefonierte mit der Wache und bat darum, einen Wagen zu dessen Wohnung zu schicken und nachzusehen, ob bei ihm alles in Ordnung sei.
Dann rief er seine Tochter an und verabredete mit ihr einen Besuch am Abend. Ein wenig fürchtete er sich vor dem Gespräch. Er rechnete mit Vorwürfen und Problemen, die er nicht würde lösen können. Aber beraten wollte er sie, so gut er konnte.
***
Outlook meldete auf Venskes Computer den Eingang einer E-Mail. Die Kollegen aus Aachen hatten endlich eingescannte Akten vom Vorgang »Klaus Stelzig« geschickt. Er öffnete die Dateien und vertiefte sich in die Protokolle. Nach gut einer Stunde ging er hinüber zu seinem Chef. »Wir müssen am großen Tisch zusammenkommen. Es gibt Neuigkeiten.«
Während sich die anderen Kommissare versammelten, stand Venske am Kopierer. Dann schritt er hinter den Stühlen entlang und legte vor jeden einige Schwarz-Weiß-Fotos. »Das ist die Leiche, die unsere Kollegen in dem Bauernhaus in Roetgen bei Aachen gefunden haben. Aus dem Protokoll geht hervor, dass die ermittelnden Beamten nur den Postboten und eine Nachbarin befragt, aber keine weiteren Personen aus der Ortschaft hinzugezogen haben, um den Toten zu identifizieren. Obwohl keine Papiere bei ihm gefunden worden sind, hat man den Totenschein auf Klaus Stelzig ausgestellt.« Alle Augen richteten sich auf Venske. »Jeder von uns hat von-Eck-Schrägstrich-Stelzig schon einmal in der Stadt gesehen. Groß, athletisch, schlank. Könnt ihr eine Ähnlichkeit zwischen dem Mann auf der Kopie und unserem Freiherrn feststellen?«
»Die Verwesung ist weit fortgeschritten. Gesichtskonturen sind so gut wie nicht mehr zu erkennen. Außerdem ist die Aufnahme nicht besonders gut.«
»Sieh genau hin, Kleiner, unser Freiherr hat in meiner Erinnerung eine eher längliche Kopfform. Die auf dem Foto ist fast rund. Und die Körpergröße ist doch auch nicht identisch.«
Babsi stand auf und verließ das Großraumbüro.
»Seit wann ist sie so empfindlich?«, fragte Venske. »Ich habe nichts Ekelhaftes gesagt.«
Ein Blick zu Kilian ließ Konnert vermuten, dass sein junger Kollege den Grund für Babsis Verschwinden kannte. Er sagte schnell: »Da liegt also wahrscheinlich einer in Stelzigs Grab, der nicht Stelzig ist. Wäre das ein Irrtum gewesen, hätte Stelzig doch protestieren müssen. Und selbst wenn er zu dem Zeitpunkt im Ausland gewesen wäre, irgendwann hätte er ja auftauchen müssen, spätestens um seinen Pass zu verlängern, und hätte dann auf dem Amt erfahren, dass er tot ist. Dass er es nicht getan hat, beweist doch, dass er damit einverstanden gewesen ist.«
»Wenn er nicht sogar nachgeholfen hat.«
»Genau. Deshalb sollten die sterblichen
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