Teuflische Stiche
leben.«
»Adi, hör mir zu. Das Risiko, durch eine Fehleinschätzung schuldig zu werden, gehört zu unserem Beruf. Wohl jedem hier im Haus ist das schon passiert. Das ist bedauerlich, aber nicht zu ändern. Zerbrich dir darüber nicht den Kopf.«
Konnert kam sein nächtlicher Versuch in den Sinn, Dreher mit beruhigenden Worten auszureden, er sei an dem Tod seiner Frau schuld. Es hatte nichts genützt. Und ich selbst? Bin ich unbelehrbar wie Dreher? Bin ich zu eng in der Bewertung meines Handelns und zu kleinlich? Als Korinthenkackernormen hatte eine Frau vor ein paar Monaten meine Maßstäbe bezeichnet.
»Adi, mach für heute Feierabend. Schlaf eine Nacht darüber. Morgen sieht die Welt schon wieder viel freundlicher aus.« Der Oberrat nickte seinem Hauptkommissar mit einem ermutigenden Lächeln zu. »Und wenn du es dann immer noch für nötig hältst, mit jemandem über deine Schuldgefühle zu sprechen, wendest du dich ans Dezernat dreizehn.«
Ich brauche keine psychologische Beratung, ging es Konnert durch den Kopf. Die netten Kollegen dort werden doch nur versuchen, die Angelegenheit kleinzureden. Und wie ich mit Schuld umgehe, weiß ich. Ich werde Gott um Vergebung bitten und mir selbst auch vergeben. Er sah seinen Vorgesetzten an. »Es geht hier nicht um Schuldgefühle. Ich habe einen Fehler gemacht und will dazu stehen, aber nicht noch mehr Schuld durch Lügen oder Verschweigen auf mich laden. Bis zur Klärung durch die Staatsanwaltschaft möchte ich meinen Resturlaub nehmen.«
»In aller Freundschaft, Adi. Am Montag hast du dich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt und heute gibt es anscheinend nichts Wichtigeres für dich, als Urlaub zu machen. Kommt nicht infrage. Du führst die Todesermittlung Renate Dreher zu Ende.« Wehmeyer erhob sich.
Für ihn ist die Angelegenheit damit erledigt, dachte Konnert, aber für mich nicht. Leise sagte er: »Ich gehe dann mal.«
Wortlos schlich er im Vorzimmer an der Sekretärin seines Chefs vorbei. Vor dem Fahrstuhl musste er warten. Unsicher überlegte er, ob er der Anordnung seines Vorgesetzten folgen sollte, oder ob es besser wäre, bei seiner eigenen Entscheidung zu bleiben und die Staatsanwältin aufzusuchen.
***
Jedes Mal, wenn Kilian in den Banken die Legitimation der Staatsanwaltschaft vorlegte, entschuldigten sich die Mitarbeiter: »Darüber muss ich erst mit der Leitung unserer Zweigstelle sprechen.« Dann verschwanden sie durch Glas- oder Mahagonitüren und kamen wenige Augenblicke später mit ihrem Chef zurück an den Tresen. Unter den strengen Blicken der Vorgesetzten wurden nacheinander die Namen von Renate und Karl Dreher, Stelzig und von Eck eingegeben. Regelmäßig bekam Kilian Varianten dieser Antwort: »Es tut uns leid, wir führen keine Konten dieser Personen.« Er zeigte den Bankangestellten auch Fotos, aber niemand erkannte einen der drei.
Nicht eher aufgeben, bis die letzte Möglichkeit ausgeschöpft ist, zitierte Kilian einen Grundsatz seines Chefs und betrat die nächste Zweigstelle der Oldenburger Landesbank. Eine ältere, dunkelhaarige Frau bediente ihn. Sie musste wohl keinen Vorgesetzten fragen, denn sie tippte sofort die Namen nacheinander in die Suchmaske ein. »Warten Sie, ich hab’s gleich. Genau, jetzt erinnere ich mich. Anfang des vorigen Monats hat ein Riese in Lederkluft zusammen mit einer Frau ein Konto eröffnet. Es läuft auf Renate Dreher. Vollmachten haben Frau Dreher und Klaus Stelzig. Sie hat sich ausgewiesen und ihm eine Vollmacht für das Konto ausgestellt. Ich erinnere mich auch noch daran, dass die Frau einen Euro eingezahlt und gesagt hat: Zum ersten Mal in meinem Leben besitze ich ein eigenes Konto.«
»Bitte machen Sie mir einen Ausdruck der Kontobewegungen«, bat Kilian.
Es dauerte keine zwei Minuten, bis er ein Blatt vor sich liegen hatte, auf dem nur drei Zeilen standen. Die erste Einzahlung in Höhe von einem Euro, eine Überweisung der Toto-Lotto-Niedersachsen GmbH über 35.046 Euro und 90 Cent, und am 15. März eine Barabhebung in Höhe von fünftausend Euro. Während er noch darüber nachdachte, was diese Informationen bedeuten könnten, legte die Bankangestellte eine Kopie des Auszahlungsbelegs neben den Kontoauszug. Unterschrieben war die Quittung von Klaus Stelzig.
»Sollte Herr Stelzig hier auftauchen, halten Sie ihn bitte so lange wie möglich auf und rufen diese Telefonnummer an.« Er legte seine Visitenkarte ab, zog den Kugelschreiber aus dem Ständer und unterstrich die Nummer des
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