Teuflische Stiche
Frühstück.
Aus dem Nachbarbüro kam Venske herüber, wünschte eine gute Nacht und zog die Tür hinter sich zu.
Morgen erwische ich den Stationsarzt nicht mehr, machte sich Konnert bewusst. Er räumte seinen Schreibtisch auf und sah sich noch einmal um. Dabei erinnerte er sich an seinen ersten Tag in diesem Raum. Die Beförderung zum Hauptkommissar war so plötzlich gekommen und damit auch der Aufstieg vom Stellvertreter zum Leiter des 1. Fachbereichs. Sein damaliger Chef hatte überraschend eine höhere Position in Lüneburg erhalten, und er war nachgerückt. Seitdem sitze ich an diesem Schreibtisch. Es kommt mir vor, als sei ich da noch sehr jung gewesen.
Er gab sich einen Ruck, kratzte seine Pfeife aus und machte sich auf den Weg.
Kurz vor Mitternacht war es nicht leichter, einen Parkplatz in der Nähe des Evangelischen Krankenhauses zu finden als am Tag. Es dauerte auch eine Weile, bis eine freundliche Krankenschwester den diensttuenden Arzt gefunden und geweckt hatte. Bevor der mit Konnert reden wollte, verlangte er einen Kaffee.
«Ich habe nur eine Frage, Herr Doktor.«
» Und dafür lassen Sie mich wecken?«
» Vielleicht werden es auch zwei.«
» Dann schießen Sie mal los«, er zwinkerte mit einem Auge, »aber nicht mit Ihrer Pistole.«
Witzbold, dachte Konnert und fragte: »Wie ist es Ihrer Meinung nach zur Vergiftung von Herrn Stelzig gekommen?«
» Keine Ahnung.«
» In Ihrem Bericht steht, dass die Symptome des Patienten denen einer Vergiftung mit dem Grünen Knollenblätterpilz ähneln. Was bedeutet es, wenn Sie ähnelt schreiben?«
» Das ist schon Frage Nummer zwei«, er zwinkerte wieder. »Wir kennen die verursachende Substanz in diesem Fall nicht genau. Es stimmt schon, die Anzeichen der Intoxikation sind in etwa mit der einer Vergiftung durch den Knollenblätterpilz vergleichbar. Wir haben seine Toxine im Blut des Patienten gefunden, aber sie waren modifiziert.«
Konnert versuchte, diese Informationen zu verarbeiten, indem er sich an die Nasenwurzel fasste.
» Sie dürfen gern weitere Fragen stellen.«
» Sie sagen also, Sie kennen in diesem Fall die verursachende Substanz nicht. Hat es denn andere Fälle mit ähnlichen Diagnosen gegeben?«
» In unserem Haus sind zwei solcher Vorkommnisse dokumentiert. Soweit ich weiß, hat es auch im Klinikum einen ähnlichen Fall gegeben.« Der Arzt schien nachzudenken. »Sicher bin ich mir nicht, aber es ist bestimmt leicht nachzuprüfen. Ich erinnere mich auch schwach an einen Bericht über einen Todesfall nach einer Vergiftung mit ungeklärter Ursache. Ob das in einem Krankenhaus in Lingen oder in Emden war, ist mir entfallen.«
Wieder drückten Daumen und Zeigefinger Konnerts Nasenwurzel zusammen. »Wissen Sie auf die Schnelle noch, aus welcher sozialen Schicht die Verstorbenen gekommen sind?«
» Möglicherweise steht das in den Krankenakten. Ich kann und darf Ihnen dazu nichts sagen. Die soziale Stellung meiner Patienten interessiert mich auch nicht.«
Na, dann warte mal ab, bis du Chefarzt bist und dein Einkommen von der Anzahl deiner Privatpatienten abhängt, dachte Konnert, sagte aber: »Mir ist es ebenfalls gleich, ob jemand reich oder arm ist. Aber in diesem Fall könnte die Antwort etwas zu unseren Ermittlungen beitragen.«
» Ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen.«
» Vielen Dank für die Zeit, die Sie sich so spät für meine vielen Fragen genommen haben.«
» So ist das. Erst soll es nur eine Frage sein und am Ende sind es fünf geworden.« Er zwinkerte wieder und reichte Konnert die Hand. »Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
***
In seinem Auto, das Kilian am Nachmittag abgeholt hatte, nahm sich Konnert fest vor, noch in dieser Nacht die Krimis für sein Enkelkind herauszusuchen.
Als Erstes fand er »Five on a Treasure Island« und »The Chimney Corner Collection: 60 Stories« von Enid Blyton. Es gab auch einige zerlesene Bücher aus der Mystery Serie. Er las ein paar Seiten und erinnerte sich an die Zeit, als sein Sohn die Fünf-Freunde-Bücher unbedingt im Original lesen wollte. Es war für ihn damals gar nicht so leicht gewesen, sie zu besorgen. Eigentlich muss ich ihn fragen, bevor ich sie weitergebe.
Karfreitag, 29. März
Beim Umdrehen klatschte seine Hand auf nackte Haut. Maik Addiksen war augenblicklich hellwach. Trotzdem dauerte es, bis er realisierte, dass eine Frau neben ihm lag und ihn verstört anstarrte.
«Schlaf weiter!« Er quälte sich auf die Beine und stakste zur Toilette. Auf dem Rückweg ging
Weitere Kostenlose Bücher