Teuflische Stiche
Schreibtisch. Niemand war da, um ihm Mut zuzusprechen. Die Dämmerung ging in die Nacht über. Aus dem bedeckten Himmel regnete es nicht, aber die Temperatur sank weiter ab. Während Konnert seinen Mantel enger um sich zog, entspannte er sich langsam. Endlich konnte er sich zurücksetzen und anlehnen. »Danke«, kam ihm über die Lippen. »Danke.«
Eben hatte er sich eine Pfeife gestopft und in Brand gesetzt, als sein Handy vibrierte. Er fummelte es aus der rechten Hosentasche. Auf dem Display stand »Venske«. Er nahm das Gespräch an.
» Die vom Evangelischen Krankenhaus haben angerufen. Der Freiherr liegt nicht mehr in seinem Bett. Eine Suchaktion im Haus hat kein Ergebnis gebracht. Er ist verschwunden.«
» Fahr bitte hin. Ich komme später dazu. Ende.«
Zwischen den Wolken zeigten sich einzelne Sterne. Konnert saß immer noch auf der Bank. Er fror und konnte sich dennoch nicht entscheiden, aufzubrechen. Mit einem Mal hörte er ein Geräusch. Jemand war in eine Pfütze getreten. Er horchte. Suchte ihn von Eck? Oder Venske? Kommt Zahra? Er traute sich nicht vorzustellen, dass sie ihn nicht in der Polizeiinspektion angetroffen hatte und ihn hier vermutete. Aber sie hätte doch angerufen.
Er hielt den Atem an, um besser hören zu können und das Rauschen von der Autobahn auszublenden. Das ist nicht der Freiherr, wurde ihm klar, auch nicht Venske.
» Ich habe auf Sie vor dem Polizeigebäude gewartet und bin Ihnen gefolgt. Ich habe gedacht, Sie würden vielleicht ein Grab aufsuchen. Darum bin ich vor dem Eingang stehen geblieben. Als Sie nicht zurückgekommen sind, bin ich die Friedhofswege entlanggegangen, um Sie zu suchen. Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
Jetzt erkannte Konnert die Stimme. Gregor Geiger. Konnert rückte zur Seite und der Mann, bei dem es einmal geknallt hatte, setzte sich zu ihm.
***
Neben der Tür hockte eine Frau auf dem dunklen Streifen Linoleum, der sich an der Wand entlangzog. Sie hatte sich weit nach vorn gebeugt. Ihr Kopf berührte die Knie. Sie schien zu schlafen. Addiksen stupste sie mit dem Fuß an. Mit einer trägen Bewegung richtete die Bettlerin ihren Oberkörper auf. Glasige Augen blickten Addiksen an.
«Kann ich die Nacht über bei dir bleiben?«
» Du kennst den Preis.«
Sie nickte und schob sich hoch auf die Beine. Addiksen hatte in der Zwischenzeit die Wohnung aufgeschlossen und die Tür offen stehen gelassen. Sie fasste ihren Rucksack und die beiden Einkaufstaschen mit ihren Habseligkeiten. Schlurfend folgte sie ihm.
» Du stinkst. Geh duschen, bevor du ins Bett kommst.«
» Hast du schon gegessen?«
» Du kannst uns was warm machen. Aber erst wäschst du dich und steckst die Klamotten in die Waschmaschine. Jetzt! Du verpestest die Luft.« Addiksen zündete sich eine Zigarette an und wedelte den Rauch in den Raum.
Nackt, noch mit nassen Haaren, stand sie in der Küche und füllte Erbsensuppe aus einer Dose in einen Topf. Addiksen sah ihr zu. Er scannte ihre Figur und stellte sich vor, wie hübsch sie einmal gewesen sein musste. Mit diesem Fantasiebild vor seinem inneren Auge näherte er sich, fingerte ihren Rücken hinauf und packte sie im Nacken. Er drückte ihren Kopf so weit hinunter, dass sie den Löffel fallen ließ und sich am Herd abstützen musste. Sie schloss die Augen als er in sie eindrang und wehrte sich nicht. Sie wusste, notfalls würde er sie schlagen, um sie gefügig zu machen.
Im Bad rumpelte die Waschmaschine mit ihrer Kleidung.
Nebeneinander lagen sie unter der Bettdecke. Sie hatten gegessen, geraucht, eine fast volle Kornflasche geleert, dabei Fernsehen geguckt, und Addiksen hatte danach beim Sex Action von ihr verlangt.
«Du, kann ich dich was fragen?«
Ein Brummen war seine Antwort.
» Hat die schöne Gertrud ein Verhältnis mit dem Ledernen?«
» Bist du etwa eifersüchtig?«
» Ich frage ja nur.«
» Warum?«
» Weil ich mich wundere. Angeblich soll Renate was mit dem Ledernen gehabt haben.«
» Kann schon sein.« Er fischte die letzte Zigarette aus der Packung, die er zerknüllt in Richtung Schrank warf.
» Der Lederne macht doch nichts ohne Grund. Der hat bestimmt irgendetwas mit Renate vorgehabt.«
» Eine Menge Geld soll im Spiel gewesen sein.«
» Das kann nicht der Grund gewesen sein. Geld hat er selbst. So im Schnitt soll er am Tag mehr als siebzig Euro in seinem Zylinder haben. Alles unversteuert.«
» Wenn das man nicht übertrieben ist.«
» Wegen Euros hat er Renate nicht bei sich wohnen lassen. Sie muss ihm
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