Teuflische Versprechen
würden Sie dann das Haus wiedererkennen, in dem man Sie gefangen gehalten hat?«
»Nein, Frankfurt ist viel zu groß, und ich habe ja nie etwas gesehen, wenn wir zum Einkaufen gefahren sind.«
»Erinnern Sie sich vielleicht, ob Sie über eine Brücke gefahren sind?«
»Ich weiß es wirklich nicht, ich habe ja immer hinten gesessen, und die Vorhänge waren zu, und nach vorne konnte ichauch nichts sehen, weil eine dunkle Scheibe zwischen mir und Carlos und Mischa war.«
»Okay. Passen Sie auf, Sie bleiben noch hier, bis Herr Hellmer und ich einen anderen Platz für Sie gefunden haben. Das dürfte spätestens heute Abend der Fall sein.«
»Frau Hellmer hat gesagt, dass ich auch hier bleiben könnte …«
»Nein, das ist unmöglich. Sie meint es sicherlich gut, aber alles, was wir jetzt tun, ist mit einem gewissen Risiko verbunden, und ich will Frau Hellmer nicht unnötig in Gefahr bringen. Sie hat eine kleine Tochter und ist wieder schwanger. Ich bitte Sie, das zu verstehen.«
»Und wo bringen Sie mich hin?« Die Angst, die Unsicherheit und die Zweifel in ihrer Stimme waren nicht zu überhören, dazu war Maria schon zu oft in ihrem jungen Leben irgendwo hingebracht worden, und immer waren es Orte gewesen, wo man sie missbraucht und misshandelt hatte.
»An einen Ort, wo Sie absolut sicher sind.«
»Und muss ich dort allein sein?«
»Nein, es wird immer jemand in Ihrer Nähe sein, der auf Sie aufpasst. In Deutschland sagt man, wir werden Sie hüten wie unseren Augapfel. Wir möchten schließlich nicht, dass Ihnen etwas zustößt.«
Hellmer sagte mit Blick auf die Uhr: »Wir sollten allmählich los.«
»Ja, gleich. Maria, ich weiß, dass Sie nach allem, was Sie durchgemacht haben, keinem Menschen mehr vertrauen, und glauben Sie mir, ich kann Sie verstehen. Aber denken Sie daran, Sie haben es geschafft, aus Ihrem Gefängnis zu fliehen, Sie haben in Frau Michel eine Frau gefunden, die Ihnen geholfen hat …«
»Aber eine andere Frau und ein Mann sind wegen mir tot!Das habe ich nicht gewollt. Jeder wird sagen, dass ich daran schuld bin.«
»Nein, nicht Sie sind schuld, sondern diejenigen, die diese Morde begangen haben. Sie haben keinen Menschen umgebracht.«
Mit einem Mal umarmte Maria Durant und fing hemmungslos an zu weinen. Hellmer stand betroffen da und wandte seinen Blick zum Fenster und hinaus auf den Sterntalerweg, der fast menschenleer war. Er konnte Frauen nicht weinen sehen, er hatte es noch nie gekonnt, und besonders nicht Maria, die so hilflos und fragil wirkte, die allein war in einer fremden Stadt, wo ihr nur Leid zugefügt worden war, und die, das wusste er auch, so schnell ihre Heimat nicht wiedersehen würde. In ihm kroch eine unbändige Wut hoch, die er vor wenigen Minuten so noch nicht verspürt hatte. Und er wusste ebenfalls, dass Maria nur eine von Tausenden war, denen das Gleiche widerfuhr. Julia Durant streichelte Maria über die blonden Haare. Was haben diese Schweine bloß mit dir gemacht?, dachte sie voller Zorn. Ich kriege euch, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist.
Nachdem Maria sich einigermaßen beruhigt hatte, sah sie Durant entschuldigend an und zog ein Taschentuch aus ihrer Jeans, um sich die Nase zu putzen und die Tränen abzuwischen.
»Es tut mir leid, ich …«
»Es braucht Ihnen nicht leid zu tun, wirklich nicht. Außerdem ist es manchmal besser, wenn man weint. Es heißt, es reinigt die Seele.«
»Ich habe lange nicht geweint, das erste Mal bei Frau Michel. Davor konnte ich es einfach nicht, ich wollte Marco und seinen Leuten nicht zeigen, dass ich schwach bin. Das hat mich am Leben gehalten.«
»Geht es wieder?«
»Ja, aber das ist alles wie ein böser Traum.«
»Es wird bald vorbei sein, das verspreche ich Ihnen. Und Sie werden auch Ihre Familie wiedersehen.«
»Warum sagen Sie das? Es kann noch so viel passieren. Wissen Sie, Marco und die andern sind wirklich zu allem fähig, das haben Sie doch selbst gemerkt. Ich glaube erst, dass alles vorbei ist, wenn ich meine Eltern und Geschwister wiedersehe und weiß, dass mir keiner mehr etwas tun kann.«
Julia Durant sah Maria lange an, fuhr ihr mit einer Hand über die gerötete Wange und sagte mit aufmunterndem Blick: »Glauben Sie einfach fest daran, dass alles gut wird. Glauben Sie bitte einfach nur daran. Tun Sie mir den Gefallen?«
Maria lächelte leicht gequält und nickte.
»Gut so, Sie dürfen den Kopf jetzt nicht hängen lassen, wir brauchen Sie schließlich noch. Und noch was: Sie dürfen
Weitere Kostenlose Bücher