Teuflischer Pakt - Thriller
unternehmen.
Die Bar lag in der Fußgängerzone im Herzen von Clifton. Früher, wenn sie Claire besucht hatte, war sie oft hier gewesen, um etwas zu trinken oder zu essen. Die Bar hatte seitdem mehrmals den Namen gewechselt, ebenso das Dekor, doch es herrschte immer noch eine nette, luftige Atmosphäre durch die hohe Decke, die alten Holzböden und die Spiegel. Die Speisekarte auf einer Kreidetafel wirkte appetitanregend und gesund. Bis auf ein Händchen haltendes Paar an einem Tisch in der Ecke und einen Mann, der ein Buch las, war die Bar leer. Gut möglich, dass es an einem Sonntagabend immer so ruhig war, sie war jedenfalls dankbar dafür. Und es war auch gut, zur Abwechslung mal ein bisschen Platz zu haben. Die laute Musik, irgendein langweiliger Techno-Jazz, war eigentlich nicht ihr Geschmack, aber heute fand sie die eintönigen Wiederholungen ausnahmsweise beruhigend. Ihre Gedanken wanderten einen
Moment lang zu Tartaglia, und sie fragte sich aufs Neue, wer die dunkelhaarige Frau gewesen sein mochte. Dann zwang sie sich, damit aufzuhören. Wozu sollte das gut sein? Zum Glück war sie den ganzen Tag über so beschäftigt gewesen, dass sie keine Zeit gehabt hatte, an ihn zu denken.
Es hatte eine Weile gedauert, die alten Akten an einem Sonntag aus dem Archiv zu beschaffen. Den Rest des Nachmittags hatten sie in einem dunklen, luftlosen Büro damit verbracht, sie durchzuarbeiten. Das Hauptproblem war, dass keiner derjenigen, mit denen sie gesprochen hatten, sich daran erinnern konnte, wann genau die Party stattgefunden hatte. In jenem Sommer hatte es anscheinend viele Partys gegeben. Fleming und die anderen waren sich nur sicher gewesen, dass es nach ihren Abschlussprüfungen passiert war. Sie hatte mit der Universität Rücksprache gehalten und festgestellt, dass die Abschlussexamen sich an den verschiedenen Fakultäten über mehrere Wochen bis zum Beginn der Ferien Ende Juni hinzogen. Wade zufolge, der das beste Gedächtnis zu haben schien, waren die fünf bis ungefähr eine Woche nach Beginn der Ferien im Haus geblieben, sodass das Zeitfenster ziemlich groß war. Um alles noch komplizierter zu machen, wurden Menschen oftmals erst Tage oder Wochen nachdem sie verschwunden waren vermisst gemeldet. Außerdem war es durchaus möglich, dass das Mädchen bereits vermisst wurde, als es auf der Party auftauchte.
Mit Hilfe der physischen Beschreibung der Anthropologin hatten sie alle ungeklärten Vermisstenfälle im Einzugsgebiet von Bristol über einen Zeitraum von drei Monaten bis Ende Juli 1991 überprüft und dabei zwei mögliche Treffer erzielt. Die erste, Cassandra Mayhew, eine Geschichtsstudentin im ersten Jahr, war am zweiten Juni während der Klausuren verschwunden. Sie hatte in einem Studentenwohnheim gewohnt und war von einer Freundin vermisst gemeldet worden, die mit ihr studierte. Sie war gerade achtzehn, einen Meter sechzig groß,
schlank und hatte laut Beschreibung mittellange, leicht gewellte braune Haare. Von dem Foto in der Akte schaute ihnen ein frisches, unschuldiges, ungeschminktes Gesicht mit verträumten Augen entgegen. Im Abschlussbericht wurde erwähnt, dass sie als Teenager wegen Magersucht und Depressionen in Behandlung war. Ihre Freunde hatten ausgesagt, dass sie große Angst hatte, in den Klausuren durchgefallen zu sein, und erst vor kurzem mit ihrem Freund Schluss gemacht hatte.
Die zweite Möglichkeit war Danielle Henderson, eine Vierzehnjährige, die zuletzt am Morgen des zwanzigsten Juni gesehen worden war, als sie vor dem Schultor mit einer Freundin schwatzte. Sie war von ihrer Mutter Susan vermisst gemeldet worden, als sie an jenem Nachmittag nicht nach Hause kam. Sie studierte zwar nicht, aber die Schule lag am Rand von Clifton, gleich hinter den Universitätsgebäuden; es war also gut möglich, dass sie irgendwann einem der Studenten begegnet war. Sie war der Beschreibung nach einen Meter fünfundsechzig groß, hatte blaugraue Augen und lange dunkelblonde Haare. Über ihre Statur gab es keine Angaben. Das Foto in der Akte zeigte sie in Schuluniform, die Haare zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden. Sie hatte ein hübsches, kindlich rundes Gesicht mit einem süßen Lächeln für die Kamera, bei dem sich zwei Grübchen bildeten. Sie wirkte jung für ihr Alter, vor allem, wenn man bedachte, wie sich die Mädchen heutzutage kleideten. Der Bericht erwähnte, dass ihre Eltern geschieden waren und sie sich, kurz bevor sie verschwand, mit ihrer Mutter gestritten hatte. Auch hatte sie
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