Teuflischer Sog
geschnitzten Walknochen, und er ist mit einem Zaun aus Walrippen umgeben, die so groß sind wie ich. Das gewölbte Tor wurde aus Schädeln erbaut, so groß wie VW Käfer.«
»Gab es irgendwelche Probleme beim Bergen der sterblichen Überreste?«
»Meinst du außer der Verdammnis meiner Seele – dafür, dass ich geweihten Boden geschändet habe?«
»Nein.«
»In diesem Fall lief alles ausgezeichnet. Die Gräber waren nur dreißig Zentimeter tief, und die Männer waren in Leinensäcken, die man aus Segeln genäht hatte, zur ewigen Ruhe gebettet worden. Zu meiner Überraschung waren sie fast völlig vermodert.«
»Der Boden dürfte zu stark durchfroren gewesen sein, um sie im Winter zu begraben, und im Frühling wird es gerade warm genug, dass Bakterien aktiv werden und ihr Werk verrichten.«
»Und was jetzt?«
»Wärmt euch auf. Mike Trono und sein Team sind eben zum Wrack aufgebrochen. Wenn sie zurückkommen und wir die Nomad wieder vorbereitet haben, ist Showtime.«
»Zieht nicht ein Unwetter heran?«
»Eric sagte, da draußen wird morgen früh die Hölle los sein.«
»Im Augenblick ist es auch nicht gerade das reine Vergnügen.«
»Wie man so schön sagt: ›Du hast ja keine Ahnung, was dich noch erwartet.‹«
27
Major Espinoza legte den Wetterbericht auf Luis Larettas Schreibtisch zurück. Zigarrenqualm trieb in dichten Schwaden durch das kleine Büro mit dem obligatorischen Bild von Generalissimo Ernesto Corazón an der einen und dem Poster eines spärlich bekleideten Mädchens an der anderen Wand.
»Dieses Unwetter wäre eine geeignete Tarnung für einen Angriff der American Special Forces. Sie erwarten, dass wir hier alle gemütlich in unseren Schlafkojen sitzen, während sie draußen herumschleichen und überall im Camp Sprengladungen deponieren.« Er dachte einige Sekunden lang nach. »Ich werde die Patrouillen um ein paar Kilometer ausweiten. Wenn die Amis hier sind, dürften sie mit Fallschirmen weit hinter der Küste abgesprungen sein und müssen über Land herkommen.«
»Sicher erwarten Sie nicht, dass sie uns angreifen«, sagte Laretta und wedelte mit seiner Cohiba.
Espinoza sah ihn eisig an. »Ich werde dafür bezahlt, vorbereitet zu sein, falls sie es tun. Also kann ich mir den Luxus irgendwelcher Spekulationen nicht leisten.«
»Jeder von uns hat seinen Job zu erledigen«, erwiderte der Direktor der Basis und dachte dabei: Besser die Soldaten froren da draußen als seine Leute.
An der Tür klopfte es.
»Herein«, bellte Laretta.
Le Fong, der Chef des chinesischen Suchteams, trat über die Schwelle. Sein Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen.
»Fong, wie geht es Ihnen?«, begrüßte Luis den Besucher.
»Ganz hervorragend. Wir haben die Silent Sea gefunden.«
Der Direktor erhob sich halb aus seinem Sessel. »So schnell? Das ist ja wunderbar. Da, nehmen Sie sich eine Zigarre.« Als er sich wieder zurücksinken ließ, holte er eine Flasche Brandy und ein paar Pappbecher aus der untersten Schreibtischschublade.
»Eigentlich rauche ich gar nicht«, sagte der Ingenieur fast entschuldigend, »aber unter diesen Umständen …«
»Sind Sie sich ganz sicher mit dem Fund?«
Lee holte sein PDA hervor und klickte sich bis zu einem Bild durch. Er reichte Espinoza den kleinen Hand-PC. »Nachdem wir ein solides Sonarecho empfingen, habe ich eine Kamera runtergeschickt. Ich gebe zu, die Auflösung ist mäßig, aber Sie sehen das Heck einer der größten Dschunken vor sich, die je gebaut wurden.«
Jorge konnte auf dem Display nicht mehr als einen dunklen Schatten erkennen. »Ich muss Ihnen auf Ihr Wort hin glauben.«
»Vertrauen Sie mir, es ist die Silent Sea. Morgen tauchen wir zu dem Wrack und bringen unwiderlegbare Beweise nach oben. Ich hatte versucht, das bereits zu melden, als wir draußen waren, und wollte Sie bitten, ein Boot mit Tauchern zu uns zu schicken, aber irgendwie kamen wir mit dem Funkspruch nicht durch.« Er nahm einen Pappbecher mit Brandy, den Laretta ihm reichte.
Espinoza lehnte ab. »Ich bin im Dienst.«
»Ihr Pech.« Der Direktor hob den Becher und prostete Le Fong zu. »Glückwunsch. Von diesem Augenblick an kann uns niemand mehr das Anrecht auf dieses Land und die Bodenschätze vor seiner Küste streitig machen. Ich muss ganz ehrlich zu Ihnen sein. Seit wir mit dem Bau angefangen haben, hatte ich immer befürchtet, dass unser Unternehmen entdeckt wird und wir von hier vertrieben werden. Also, das ist jetzt nicht mehr möglich. Wir werden
Weitere Kostenlose Bücher