Texas
der große Mendoza den jungen beiseite: »Mein Sohn«, sagte er, »du bist ein Halbindianer, der eine große Zukunft in diesem Land vor sich hat. Und weil du bei der Expedition so gute Arbeit geleistet hast, sollst du General Coronado als Führer dienen, wenn er nach Norden marschiert.«
Wie Cabeza de Vaca, wie Esteban, wie Marcos und wie der Vizekönig Mendoza selbst wurde auch Garcila9o von der Vision verführt, was dieses >Land aus vielen Ländern< einmal sein könnte. Und so schwieg er.
Garcila9o war stolz darauf, daß sein Vater Erster Führer in Coronados Expeditionsmannschaft sein sollte, aber er machte sich auch Sorgen: Was würden die Soldaten tun, wenn sie feststellten, daß die Sieben Goldenen Städte gar nicht existierten? Über diese Bedenken ging der Krater jedoch hinweg, ohne mit der Wimper zu zucken: »Die Städte müssen dasein.«
Garcila9o zuckte die Achseln. Mit nur vierzehn Jahren war er schon weit gereist, und er beschloß, das große Abenteuer zu nützen, um sich den Ruf eines mutigen und ehrenhaften Mannes zu erwerben. Er bemühte sich, einen militärischen Eindruck zu machen, als er sich in Compostela zum Dienst meldete; dort sollte die große Expedition von Vizekönig Mendoza gemustert werden, der ja den Auftrag zu diesem Unternehmen gegeben hatte, dessen Oberbefehlshaber Coronado war, ein gutaussehender Mann, wagemutig und außerordentlich tüchtig, an Gott und an die Bestimmung der Spanier glaubend.
Garcila9o machte große Augen, als die Parade an ihm vorbeizog: zweihundertfünfundzwanzig Reiter - Caballeros -, junge Edelleute, begierig, in die Schlacht zu ziehen. »Seht nur!« rief der Junge seinen Kameraden zu, denn jetzt kam eine Abteilung Berittener, einige in metallener, andere in lederner Rüstung, ein verwegener Haufen. Es folgte der kirchliche Beitrag zu diesem gewaltigen Unternehmen: fünf
Franziskanerfratres, unter ihnen Fray Marcos, danach dürstend, verlorene Seelen für Jesus zu gewinnen. Hinter ihnen marschierten mehr als sechzig Fußsoldaten und ließen die modernen Waffen sehen, die sie berühmt gemacht hatten: Arkebusen, diese schweren Gewehre mit dem Radschloßmechanismus, die zerstörerische Kugeln mindestens hundert Fuß weit schossen; Armbrüste aus so starkem Eschenholz, daß einige mit Spannhaken gespannt werden mußten, um sie schußbereit zu machen; Piken mit häßlichen dreiteiligen Spießeisen, besonders geeignet, um dem Feind den Bauch aufzuschlitzen; und alle Arten von Schwertern, Dolchen, Stiletten und Streitkolben. Wenn diese spanischen Fußsoldaten ihre Gesichter hinter Visieren oder pechschwarzen Bedeckungen mit Sehschlitzen versteckten, verbreiteten sie Entsetzen unter den Menschen.
Über zweihundert Diener folgten, darunter auch Indianer und Schwarze, sowie achtzig Stallburschen, deren Aufgabe es war, die Pferde zu versorgen und darauf zu achten, daß die Kanonen den Transport in guter Verfassung überstanden.
Jetzt kamen mehr als tausend indianische Helfer - die einen in Kriegsbemalung, die anderen mit Federn am Kopf, alle mit verzierten Keulen, die in der Sonne glitzerten. Sie verneigten sich vor dem Vizekönig, der ihnen huldvoll zunickte. Die folgende Gruppe bestand aus mehreren hundert Krauen, Indianerinnen und auch einigen Ehefrauen spanischer Soldaten; sie trugen Blumen im Haar und bunte Tücher um die
Schultern. Nach ihnen kamen die Kühe und Schafe, von denen sich das Expeditionsheer ernähren würde.
Die Nachhut - so wertvoll, daß sie nur von spanischen Soldaten bewacht werden durfte - bildeten viele edle, vor allem arabische und spanische Kavalleriepferde, zum größten Teil in Mexico gezüchtet. Als Schlachtrösser hatten sie unter den Indianern Mexicos immer schon Entsetzen hervorgerufen, und Coronado erwartete, daß sie es auch in Zukunft tun würden. Diese genauen Zahlen kennt man, weil an jenem Tag der letzten Musterung, dem 22. Februar 1540, der Notar Juan de Cuebas aus Compostela sorgfältig über jeden spanischen Caballero und Fußsoldaten Buch führte und weil er genau vermerkte, welche Pferde und Waffen jeder bei sich hatte.
Ein wenig spät zur Musterung erschien der Hauptmann der Infanterie Pablo de Melgosa, ein wackerer Bursche, der ständig grinste. Zwischen seinen zwei großen Vorderzähnen klaffte eine Lücke. Das Haar fiel ihm über die Augen, und seine Nase hatte offensichtlich bereits Bekanntschaft mit mehreren Fäusten gemacht. Staubbedeckt kam er an, am Zügel zwei kleine Esel, die unter dem Gewicht der
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