Texas
Bächlein.
Eines Morgens schrie Jubal so laut, daß die anderen erschrocken zusammenzuckten: »Mein Gott! Ein
Bienenbaum!« Er schleppte Yancey zu dem halbtoten Baum und klopfte mit den Knöcheln an den hohlen Teil des Stammes. »Voller Honig«, versicherte er seinem Sohn.
Vater Clooney packte die zwei Bettdecken der Quimpers und lief zu dem Baum. Nachdem er sich und Jubal, so gut es ging, in die Decken eingewickelt hatte, brachen sie die toten Zweige ab, um Zugang zum oberen Teil des Baumes zu erlangen.
Während sie sich der Bienen erwehrten, die jede entblößte Körperstelle attackierten, häuften sie die Honigwaben, die sie herausgeholt hatten, auf Eichenblätter. Nachdem sie so viel gesammelt hatten, wie sie tragen konnten, liefen sie, von den Bienen erbarmungslos verfolgt, zur Straße zurück. Sie ignorierten die Stiche, bis sie Mattie erreichten, die die Bienen verjagte und einen Topf hervorholte, in dem man die Waben aufbewahren konnte.
»Ein Land, in dem es Bienenbäume gibt, ist ein Land, in dem man sich ruhig niederlassen kann«, meinte Jubal und fand in den nächsten Tagen zu seinem größten Entzücken heraus, daß solche Bäume in dieser Region im Überfluß vorhanden waren. Einige Tage später erreichten sie das Schwemmland eines
Flusses und entdeckten dort etwas anderes, das ähnliche Freuden verhieß: sehr hohe Bäume mit dicken Reben und großen Trauben. »Muskateller«, stellte Quimper befriedigt fest. »Die hatten wir auch in Tennessee. Gut für Marmelade, noch besser für Wein.«
Die Männer waren bereit, hier am linken Ufer des Brazos zu bleiben, denn dort war das Land gut; doch Mattie hielt an ihrer Vorstellung von der perfekten Lage fest, führte sie das steile Ufer hinunter und quer über das seichte Flußbett. Als sie das Südufer erklommen hatten, sahen sie das Land vor sich, das sie sich erträumt hatte. Sie ließ den Sack mit dem Maissamen fallen und sagte: »Genau das ist es.«
Sie hatte sich ein besonders schönes Fleckchen ausgesucht, denn hier bildete der Brazos ein großes »S«. Den Fluß entlang zogen sich kleine Waldungen auf sanften Hügeln hin - und über all dem der blaueste Himmel, den sie je gesehen hatten. »Hier werden wir unser Haus bauen«, sagte sie, worauf ihr Mann in schallendes Gelächter ausbrach: »Bau es nur hin und rette dich ans Ufer, wenn die Flut kommt!«
Er führte sie zu einer Gruppe von Eichen, die mehr als neun Meter über dem Fluß standen. Die Hände in die Hüften gestützt, starrte er die Bäume an: »Fällt dir nichts auf?« Er hob einen Stecken auf und deutete auf ein Knäuel von Gras und Treibholz, das drei Meter über ihren Köpfen in den Zweigen hängengeblieben war.
»Was ist das?« fragte sie. »Wie kommt das da hinauf?«
Er warf den Stecken weg. »Errätst du’s nicht? So hoch war beim letzten Mal die Flut.«
Als sie genauer hinsah, sowohl auf die Bäume auf ihrer Seite des Brazos wie auch am anderen Ufer, stellte sie fest, daß entlang einer deutlich erkennbaren Linie die Reste einer großen Flut sichtbar waren; damals mußte das Wasser mehr als zwölf Meter höher gestanden und der Strom drei oder vier
Kilometer breit gewesen sein. »Wann ist das geschehen?« fragte sie.
Ihr Mann antwortete: »Voriges Jahr oder vor zehn Jahren. Das Treibgut ist tot, darum kann man es zeitlich nicht mehr fixieren. Zweifelst du vielleicht, daß es diese Überschwemmung gegeben hat?«
»Nein«, seufzte sie, und sie gingen weiter, bis sie schließlich zu einem hohen Hügel kamen, den die Flut nicht mehr erreicht hatte. »Hier werden wir sicher sein.« Mattie ging auf das offene Land hinter dem Hügel zu und fing an, mit einem Stecken im Boden zu wühlen. »Das ist der richtige Platz«, sagte sie. »Ich bin von weit her gekommen, um diesen Augenblick zu erleben!«
Für Vater Clooney war die Zeit gekommen, seinen Weg den Brazos hinunter zu jenen Siedlungen fortzusetzen, deren Seelsorge er übernehmen sollte. Bevor er aber weiterzog, wollte er den Quimpers beim Bau ihres Hauses helfen.
»Wie werden Sie Stephen Austin davon in Kenntnis setzen, daß Sie sich auf seinem Land niedergelassen haben?«
»Wenn Sie ihn sehen, müssen Sie ihm sagen, welchen Teil wir uns genommen haben. Ich werde ihm einen Brief schreiben und bitten, daß er uns einen Vermesser schickt.«
Sie begannen nun, das Haus zu planen. »Wir werden ein tiefes Loch in die Vorderseite des Hügels graben und hier draußen aus Stämmen eine Fassade und Zwischenwände für die
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