Thanatos
wohl noch einen tagwandelnden Vampir erkennen.«
Eidolon schnappte sich weitere Tücher. »Ich schwöre dir, Reiter, ich habe keinen Tagwandler unter meinen Leuten.«
Mist. Okay, Augenblick mal … Reaver hatte doch als Arzt im UG gearbeitet, ehe er seine Flügel zurückgewonnen hatte. Einen Sekundenbruchteil, bevor Regan losgeschrien hatte, war er zurückgekehrt.
Than verschwendete keine Zeit und stürzte in den großen Saal. »Reaver! Beeil dich!«
Sie rannten ins Schlafzimmer zurück, wo ihnen der Blutgestank ins Gesicht schlug. Im Laufe der Zeit war Than dem Geruch von Blut gegenüber duftblind geworden, aber das hier war anders. Das war Regans Blut, und es kam ihm vor, als wäre er selbst am Verbluten. Sobald sie im Zimmer waren, wurde deutlich, dass Reaver nichts tun würde.
»Reaver?« Thans Stimme brach. »Komm schon, sie stirbt.«
»Ich kann sie nicht berühren.«
»Kannst du nicht«, fauchte Than, »oder willst du nicht?« Inzwischen waren Thanatos die bescheuerten Regeln der Wachen, Prophezeiungen und sogar die gottverdammten Gesetze der Physik, die dafür sorgten, dass sich der Planet drehte, scheißegal. Regan
musste
überleben.
»Beides. Als himmlische Wache darf ich nicht helfen, aber selbst wenn ich riskieren würde, diese Regel zu brechen, spielt das keine Rolle. Ich kann sie ebenso wenig berühren wie Eidolon.«
»Ich kann sie berühren.«
Als Than herumwirbelte, sah er Gethel im Türrahmen stehen. Thanatos war nie glücklicher gewesen, seine Ex-Wache zu sehen. »Wie kommt das?«
»Ich bin ein Engel«, sagte sie einfach. »Nur den Wachen ist es unmöglich, Regan anzufassen.« Sie glitt zum Bett hinüber und legte die Hand auf Regans Bauch. »Dem Kind geht es gut.« Sie sank aufs Bett nieder und zog Regan in die Arme, beinahe so, als wollte sie sie in den Schlaf wiegen. »Armes Ding. Menschen sind so zerbrechlich.«
Eidolon zog sich seine Handschuhe aus und reichte ihr ein Paar. »Ich will nicht unhöflich sein, aber ihr bleibt nicht mehr viel Zeit.« Er sah zwischen Than und Gethel hin und her. »Wenn du die inneren Blutungen nicht stoppen kannst, müssen wir sie ins
Underworld General
bringen, und ich werde euch beiden die Anweisungen während der Operation geben.«
Diese Vorstellung gefiel Thanatos ganz und gar nicht, vor allem, da Regan gesagt hatte, dass sie keine Medikamente vertrug. Das bedeutete: keine Betäubung, keine Schmerzmittel, keine Transfusionen, keine Blutgerinnungsmittel. Eidolon sagte es nicht offen heraus, aber Thanatos wusste, dass es bei dieser OP nicht darum gehen würde, sie zu retten. Die Operation würde dazu dienen, das Baby zu holen.
»Ich krieg das schon hin, Dämon«, sagte Gethel, wobei das Wort
Dämon
definitiv eine säuerliche Note enthielt. Regan schnappte in ihren Armen nach Luft, ihre Augen öffneten sich.
»Regan.« Than bewegte sich auf sie zu, aber noch während Regan vor Schmerzen aufschrie, neigte Gethel ihr Haupt langsam, und dann waren sie und Regan in einem Lichtblitz verschwunden.
»Bei den verfickten Ringen der Hölle«, fluchte Shade. »Wo ist sie hin?«
Thanatos stand kurz davor zu hyperventilieren. Er hatte Gethel jahrtausendelang vertraut, aber das hier gefiel ihm ganz und gar nicht. Er musste bei Regan sein. Er musste da sein, wenn sein Sohn auf die Welt kam.
»Reiter?«, fragte Eidolon. »Was geht hier vor?«
»Ich weiß nicht«, sagte Than mit rauer Stimme. »Reaver, weißt du irgendetwas darüber?«
Reaver sah aus, als ob ihn ein Schuss mitten zwischen die Augen getroffen hätte. Die Fassungslosigkeit in seiner Miene trug wenig dazu bei, Than zu beruhigen.
»Reaver?«
Reaver fuhr zu ihm herum. »Kannst du das Baby spüren?«
Seine Angst erreichte einen neuen Höhepunkt, eisig und drängend. »Ja.«
»Ares!« Reavers Gebrüll ließ alle zusammenfahren, und gleich darauf war Ares da, kam bewaffnet und gepanzert durch die Tür gestürzt. Reaver wandte sich wieder an Than. »Bring uns zu deinem Sohn.«
Lore drängelte sich an Ares vorbei. »Ich komme mit.«
Je mehr, desto besser. Die ganze Truppe strömte aus der Festung; alle beteten, dass das Tor auf der anderen Seite nicht etwa Regan entzweischneiden würde. Thanatos öffnete es und sprang in eine Art von Kerzen erleuchtete Kammer. Sein internes GPS verriet ihm, dass sie sich genau dort befanden, wo Pestilence das Baby seiner Vorhersage nach hinbringen würde: auf der Insel Steara in Sheoul. Aber was er nicht vorhergesehen hatte, war die grenzenlose Wut und das Entsetzen,
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