Thanatos
erwartete sie eine typische, mit Subtext aufgeladene männliche Antwort, ein »Oh doch, na sicher habe ich Hunger«, aber dieser Mann steckte voller Überraschungen.
»Ich werde erst essen, wenn ich sicher bin, dass du genug hattest.«
»Wieso?«
Er blickte auf seinen leeren Teller hinab und dann wieder zurück zu ihr. »Weil meine Leute … die Leute, die mich aufgezogen haben … dafür gesorgt haben, dass schwangere Frauen zuerst aßen und die beste Nahrung erhielten.«
Etwas regte sich in ihrer Brust. Wie konnte er in der einen Minute so grob und wütend sein und in der nächsten respektvoll und aufmerksam? Sie spürte, wie ihre inneren Mauern mit jeder fürsorglichen Geste und jedem Wort abgebaut wurden, und ihr kam in den Sinn, dass die Gefahr, die er repräsentierte, nicht nur physischer Natur sein könnte.
Sie zwang sich, sich auf das Essen zu konzentrieren, ehe ihre Gedanken noch an Orte wanderten, wo sie nicht hingehörten. »Aber es gibt doch so viel. Viel mehr, als ich in einem Monat essen könnte.« Als sich das Baby daraufhin rührte, verbesserte sie sich. »Jedenfalls in einer Woche.« Als Than nicht geneigt schien, seine Meinung zu ändern, wies sie mit der Hand auf die Platte mit den Roastbeefscheiben. »Rindfleisch ist mir in den letzten Monaten nicht so gut bekommen, also bitte, nimm ruhig.«
Thanatos neigte das Haupt zu einem höflichen Nicken und lud sich Rindfleisch und Soße auf den Teller. »Verspürst du bestimmte Gelüste?«
»Essen«, sagte sie, und wieder spürte sie dieses seltsame Flattern in ihrer Brust, als er leise lachte. »Ganz egal, was. Nenn mir irgendwas, ich will es haben.« Sie spießte ein Stück Hühnchen auf ihre Gabel. »Ich versuche, so abwechslungsreich wie möglich zu essen, damit der Kleine Geschmack an Gerichten der verschiedenen Nationen findet. Ich habe mal gelesen, dass eine abwechslungsreiche Ernährung der Mutter dafür sorgt, dass das Kind nicht mäkelig wird, sowohl im Mutterleib als auch später, wenn es seine ersten richtigen Mahlzeiten zu sich nimmt.« Than sah sie an, als ob ihr soeben ein zweiter Kopf gewachsen wäre. »Was denn? Warum starrst du mich denn so an?«
»Es kommt mir nur komisch vor, dass du dich so für die Ernährung des Babys interessierst, wenn du gar nicht vorhast, irgendetwas mit ihm zu tun zu haben, sobald es auf der Welt ist.«
Autsch.
»Er ist mir wichtiger, als du ahnst, Thanatos.«
Er war ihr so wichtig, dass sie absichtlich nicht über den Tag nachdachte, an dem sie ihn zu seinem eigenen Besten weggeben musste, denn wenn sie darüber nachdenken würde, würde sie zusammenbrechen. Das Baby war alles, woran sie dachte; es zu beschützen, für seine Gesundheit zu sorgen, sicherzustellen, dass es geliebt wurde. Aber sie machte sich gar nicht erst die Mühe, das zu erklären, denn er würde ihr sowieso nicht glauben, und er hatte überdeutlich gemacht, dass er nichts davon hören wollte.
Er warf ihr einen weiteren seltsamen Blick zu, so als wollte er ihre Worte wiederum auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Schließlich wies er auf ihren Teller, und als er sprach, klang seine Stimme beinahe freundlich. »Dann iss. Und später stellst du eine Liste mit deinem Lieblingsessen auf. Ich werde sie für dich zubereiten lassen. Du kannst auch die Küche jederzeit benutzen.«
Wieder dieses Flattern angesichts seiner Rücksichtnahme. Unter all diesem physischen und emotionalen Panzer befand sich ein anständiger Mann, der leider nur beschissene Karten auf der Hand hatte.
»Wenn ich mir also um zwei Uhr morgens Schokoladenkekse machen will, dann kann ich das tun?« Nicht, dass sie kochen könnte, aber sie konnte es ja lernen. Dafür gab es schließlich Kochbücher.
»Jepp.«
»Brownies?«
»Jepp.«
»Gestürzten Ananaskuchen?«
Sein Lächeln nahm ihr den Atem. »Nur wenn du davon etwas abgibst.«
»Du magst gestürzten Ananaskuchen?«
»Das ist mein Lieblingskuchen.«
Sie hatte einmal die Valentinstagausgabe einer Frauenzeitschrift gesehen, auf deren Cover ein gestürzter Ananaskuchen in Herzform abgebildet war. In der Zeitschrift hatte es einen Artikel über Romantik und Essen gegeben und darüber, wie man einen perfekten Abend gestalten könnte. Ein Bild hatte ein Paar gezeigt, dass im Kerzenschein an einem lauschigen Tisch für zwei gesessen hatte, und zwischen den beiden stand dieser Kuchen.
Jetzt platzierte ihre überbordende Fantasie Thanatos und sich selbst in dieses Bild; Than beugte sich über den Tisch, sein Mund befand
Weitere Kostenlose Bücher