THARKARÚN – Krieger der Nacht
verlassen, wartete er im Großen Saal in der Mitte des Horts auf den Tod, ohne Nahrung, ohne Wasser. Eine wahre Heldentat und nur wenige der Männer, die in den Geschichten als Helden gepriesen wurden, haben sich diese Ehre so verdient wie er.« Die Zuhörer hingen an seinen Lippen. »In den Geschichtsbüchern jedoch taucht der Name des Baumeisters nicht auf. Die Geschichte des Undurchdringlichen Horts ist durch viele Tausend Münder gegangen, aber sein Name verlor sich im Labyrinth der Zeit. Außerdem, was ist schon ein Name? Was zählt, ist seine Entscheidung, die noble Tat, der Preis, den er gezahlt hat. Sehenden Auges hat er einen grausamen Tod in Kauf genommen und sich in die Festung einmauern lassen – eine Festung, die er selbst entworfen hatte, zum Wohl der acht Völker, zur Rettung der Welt, die er so liebte. Und wenn alles so gekommen wäre, wie er es sich vorgestellt
hatte und wie ihr annehmt, wäre sein Opfer auch gerechtfertigt gewesen.«
Die Gefährten hielten den Atem an, Thix und Ametista tauschten einen raschen Blick, Shakas Augen funkelten.
»Er ist gar nicht tot, oder?«, flüsterte der Dämon. »Ja, er ist gar nicht gestorben. Bei jedem Zauber gibt es unvorhersehbare Folgen und bei der Erschaffung des Weißen Steins war das nicht anders. Im Großen Saal war er dem mächtigsten Zauber aller Zeiten ausgesetzt. Was ist wirklich geschehen?«
Dan Ree seufzte tief. »Mehr oder weniger das, was du gerade vermutet hast, Shaka. Nichts ist vollkommen auf dieser Welt und die Magie macht da keine Ausnahme. Den Zauberern war klar, dass sich die in den Weißen Stein gebannte schwarze Magie früher oder später wieder einen Weg nach außen suchen würde. Doch sie ahnten nicht, dass es bereits von Anfang an eine Möglichkeit dafür geben könnte. So aber war es. Zwar genügte die entweichende schwarze Magie nicht, um die Gremlins wieder erstarken zu lassen, sie war aber mächtig genug, um auf den Baumeister zu wirken, der ja ganz in der Nähe war. Die dunkle Macht aus dem Weißen Stein drang durch die Haut in ihn ein, in sein Blut, ganz langsam, wie ein schleichendes Gift. Anfangs hielt sie ihn nur am Leben, doch dann wurde sie stärker und begann, ihn zu verändern. Wie ihr wisst, hat Magie die Kraft, Dinge zu verändern.«
»Das gilt auch für Personen«, ergänzte Shaka. »Denkt an die Schwarzen Hexer.«
»Ein gutes Beispiel.« Dan Rees kluge Augen blickten in sieben Gesichter, die auf ihn gerichtet waren. Dann sah er kurz zum Magus. »Du bist ein Schwarzer Hexer, Shaka, du weißt besser als alle anderen, wie schmerzhaft es sein kann, Magie in sich aufzunehmen. Auf der einen Seite verleiht sie große Macht, doch der Preis ist hoch und mit unermesslichen Qualen verbunden. Der Baumeister des Undurchdringlichen Horts wollte weder das eine noch das andere, das ist der grundlegende Unterschied zwischen
ihm und allen anderen Schwarzen Hexern oder Zauberern. Wie alle, die Magie in sich tragen, musste jedoch auch der Baumeister schreckliche Schmerzen erleiden. Außerdem war die Magie, mit der er in Kontakt kam, nicht zu vergleichen mit der Magie, mit der die Bewohner der acht Reiche tagtäglich zu tun haben. Unsere Magie ist kontrolliert und deshalb beherrschbar, die Magie des Weißen Steines ist dagegen archaisch und von elementarer Bösartigkeit, weitaus stärker als alles andere. Von ihr getroffen oder auch nur berührt zu werden, muss unfassbar grausam sein. Am Schluss war der Baumeister vollkommen vom Bösen durchdrungen. Er war nicht mehr der Elbe, der er einmal gewesen war, und keinem Wesen unter den acht Völkern mehr ähnlich. Er war mächtig geworden, beinahe wie ein Gott, und litt doch in jeder Sekunde seines Daseins Höllenqualen. Die schwarze Magie war wie ein Feuer, das ihn von innen verbrannte, Tag um Tag, Stunde um Stunde, doch sie verzehrte ihn nie ganz. Ein endloses Martyrium. Daher rührt seine Stärke: Er ist voller Hass auf das Geschehene, voller Hass auf die Zauberer der acht Völker und die ganze Welt, die ihm das seiner Meinung nach angetan hat. Und sein Inneres ist zerfressen von dem Bösen, das Besitz von ihm ergriffen hat.«
»Er wurde zu Tharkarún«, schlussfolgerte Arinth. Er zeigte auf die finstere Gestalt auf dem Gobelin, die ihn direkt anzustarren schien.
»Nein, Tharkarún ist der Name, den er schon immer getragen hat«, verbesserte ihn Dan Ree. »Dieser Name ist alles, was ihm von seinem früheren Leben geblieben ist. Er hätte unser aller Hochachtung verdient, als Held, der
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