THARKARÚN – Krieger der Nacht
fliehen, wo sie niemand finden würde.
Doch wohin sollte sie gehen, allein und schwanger? Nach Amorannon konnte sie nicht suchen, denn er und Gavrilus waren unzertrennlich, außerdem hieße das, sich an die Front zu begeben, wo die Kämpfe immer heftiger tobten. Hinzu kamen die Zweifel. Selbst wenn sie ihn fand, ohne dass ihr Vater davon erfuhr, worauf konnte sie denn hoffen? Amorannon stellte die Treue zu seinem König über alles andere. Selbst wenn er alles erfahren würde, wäre er zwar tief verletzt, aber es würde ihn nicht von seiner unerschütterlichen Verehrung abbringen können.
Seine Aufgabe war es, an Gavrilus’ Seite zu sein und ihn zu beschützen, was auch immer geschah, und er würde bestimmt nicht mit Adilean fliehen und seine Pflichten vernachlässigen. Wie auch immer er reagieren würde: Adilean zweifelte, dass ihr damit geholfen wäre, um die Situation zu lösen, wahrscheinlich würde alles nur noch komplizierter werden. Nein, sie musste allein fortgehen und einen sicheren Ort suchen, an dem sie ihr Kind zur Welt bringen und sich um es kümmern konnte. Doch niemand durfte erfahren, dass sie den Königspalast und die Hauptstadt verlassen hatte, wenigstens solange man es geheim halten konnte. Sie brauchte einen Zeitvorsprung, um sich weit genug zu entfernen, bevor die Wachen in Alarmbereitschaft versetzt wurden und begannen, nach ihr zu suchen.
»Das ist Wahnsinn!«, bemerkte ihre Dienerin, als Adilean sie über den Inhalt des Briefes und über ihren Plan ins Bild gesetzt hatte. »Lady Eletilla, in Eurem Zustand könnt Ihr nicht reisen. Das ist Wahnsinn!«
»Vielleicht hast du recht«, sagte Adilean seufzend. Ihr war natürlich klar, wie absurd ihr Vorhaben war, doch sie sah keinen anderen Weg. »Aber ich muss es tun, Alyssa, versteh mich doch, und du musst mir helfen. Ich werde ausreiten, wie ich es oft tue, selbst seit dem Beginn meiner Schwangerschaft, und du wirst mir die Kleider einer Bäuerin beschaffen. Für die Wachen werden sie vielleicht etwas seltsam an mir aussehen, aber ich glaube kaum, dass sie in Zeiten wie diesen allzu sehr auf mich achten werden. Außerdem bin ich eine Prinzessin, womöglich halten sie bei mir eine Laune oder eine bizarre Idee für ganz normal. Am Stadttor werde ich mir schon etwas einfallen lassen, ich werde mich für eine Frau aus dem Volk ausgeben, und wenn ich die Stadt verlassen will, wird man mich sicher nicht nach Pässen fragen. Niemand wird damit rechnen, dass ich zu fliehen versuche! Dann ist Wachablösung, die neu gekommene Wache wird nicht erwarten, dass ich zurückkomme, denn sie weiß ja nicht einmal, dass ich die Stadt verlassen habe. Morgen früh sagst du dann allen, dass ich
mich nicht wohlfühle, versuche, niemanden hereinzulassen. Solange du geheim halten kannst, dass ich nicht da bin, tu es. Wenn du siehst, dass es nicht mehr geht, lass dir etwas einfallen … du bist ins Zimmer gegangen und ich war nicht mehr da oder so ähnlich. Das ewige Versprechen meines Vaters muss um jeden Preis geheim bleiben. Verrat es nicht, was auch immer geschieht. Versprich mir das!«
Alyssa versprach es, ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. Adileans Erregung hatte auch bei ihr eine gewisse Nervosität ausgelöst, und es fiel ihr sichtlich schwer, den Plan zu akzeptieren. Trotzdem, sie wusste, was diese Entschlossenheit in den Augen ihrer Prinzessin bedeutete. Nichts und niemand würde sie aufhalten können und deshalb half sie ihr jetzt besser, als sie alles allein machen zu lassen. »Und Ihr versprecht mir, dass Ihr Euch so bald wie möglich einen sicheren Ort sucht«, entgegnete sie. »Möglichst innerhalb der Grenzen des Elbenreiches. Und Euch von dort nicht wegbewegt.«
»Versprochen«, sagte Adilean lächelnd und es klang, als hätte sie einen Pakt unterzeichnet, der kaum weniger verpflichtend war als der, der Gavrilus an Thix Velinan band. »Ich beabsichtige nicht, mich weit zu entfernen«, hatte sie sie beruhigt. »Nur weit genug, damit man mich nicht findet. Ich werde auf mich und mein ungeborenes Kind achten. Es wird bald auf die Welt kommen.« Wieder verdüsterte sich ihre Miene. »Ich hätte mir so gewünscht, dass es hier in Astu Thilia geboren wird und dass Amorannon seinen Sohn sehen würde. Aber ich finde keine Möglichkeit, also …« Der Satz löste sich in verlegenem Schweigen auf.
»Ich habe verstanden«, schloss Alyssa. »Und werde alles tun, was Ihr wünscht.«
Adilean nickte, Alfargus’ Brief kam ihr wieder in den Sinn, der immer
Weitere Kostenlose Bücher