THARKARÚN – Krieger der Nacht
Gelegenheiten zu erinnern, bei denen sie von hier in Amorannons Begleitung zu einem Spazierritt aufgebrochen war. Das Pferd, das der Stallknecht für sie ausgewählt hatte, war schon gesattelt und mit dem Gepäck beladen, das Alyssa vorbereitet hatte. Es würde keine lange Reise werden, und Adilean hatte nicht vor, sich über die Grenzen des Elbenreiches hinauszuwagen, aber sie musste vorsichtig sein. Sie war überzeugt, dass sie fern von Astu Thilia und ohne ihre prunkvollen Prinzessinnengewänder niemand wiedererkennen würde.
Der Stallknecht und Alyssa halfen ihr in den Sattel, was von Tag zu Tag schwieriger wurde. »Ich werde nicht lange reiten«, versprach sie sich noch einmal, »keinen Schritt weiter als nötig.« Sie senkte den Blick, suchte Alyssas Augen und lächelte ihr dann ein wenig verkrampft zu. Alfargus’ Brief trug sie in einer Tasche ihrer Weste bei sich und spürte seine Berührung, als ob er auf ihrer Haut brannte. »Mir wird nichts Schlimmes geschehen«, versprach sie.
»Das hoffe ich«, gab Alyssa ruhig zurück und ihre Augen glänzten feucht. »Möge das Glück Euch begleiten, Lady Eletilla. Möge es immer an Eurer Seite sein.«
» Kài sith alkari thín «, sagte Adilean leise, fast nur zu sich selbst. »Leb wohl, Alyssa. Wir werden uns wiedersehen, wenn das Schicksal so will. Und ich hoffe, das wird bald sein.«
Sie trieb ihre Fersen in die Flanken des Pferdes, das in schnellen Schritt fiel. Alyssa ging stumm vor ihr her. Die diensthabende Wache verbeugte sich ehrerbietig, während sie die Tore öffnete. Adilean zwang sich dazu, sich nicht umzudrehen und Alyssa anzusehen, die wie gelähmt hinter dem sich schließenden Tor stand und die Tränen unterdrückte. Sie blickte sich auch nicht nach der Statue des Nordens um, die von den weißen Mauern Astu Thilias hinab grüßte, als sie eine andere Wache problemlos passieren ließ. Sie würde ein kleines Waldstück durchqueren, das die
Elbenhauptstadt umgab, und reiten, bis sie an die Grenzen der Wüste kam, die ihre Heimat von anderen Reichen trennte. Dort, in einem der kleinen abgelegenen Dörfer, würde sie haltmachen und sich eine Bleibe suchen. Es würde wohl einige Tage dauern, um die gesamte Entfernung zurückzulegen, aber sie fühlte sich mutig, schließlich trug sie Sarandons Schwert unter ihrem Umhang und Alfargus’ Brief in der Tasche und hatte keine Angst vor dem Alleinsein.
Einen Moment lang war sie glücklich, dort in den Wäldern zu sein. Sie hatte sich nie weiter als einige Meilen von Astu Thilia entfernt und nie ohne Begleitung. Und jetzt hatte sie Lust darauf bekommen, andere Orte zu sehen, zu reisen und zu fühlen, wie es ist, wenn man frei von dem Titel einer Königstochter und den damit verbundenen Einschränkungen ist. Sie ließ die Zügel am Hals des Pferdes schnalzen und bog singend in einen Pfad ein. Erst dann spürte sie das Bedürfnis, sich umzuschauen, und blickte durch die Bäume in der Ferne auf die hohen Mauern Astu Thilias. Winzig klein grüßte sie die Statue des Nordens: Man konnte unmöglich erkennen, ob dieser Gruß fröhlich oder traurig ausfiel. Doch Adilean glaubte in diesem Augenblick, dass es ein freudiges »Auf Wiedersehen« und kein betrübtes »Lebewohl« war.
Sie erreichte die Ebene jenseits des Waldes. Die begeisterte Aufregung der Flucht war einer schrecklichen Müdigkeit gewichen, aber sie durfte jetzt nicht anhalten, noch war sie zu nah an der Hauptstadt. Die Straße, die sie gerade nahm, führte auf eine große verlassene Fläche, auf der es nichts als Weiden und Äcker und einige verstreute Bauernhäuser gab. An diesem Ort würde ein bedürftiger Reisender nur schwerlich Hilfe finden. Adilean biss die Zähne zusammen und befahl sich, weiterzureiten. Sie hatte gehandelt und würde nun bestimmt nicht bei der ersten Schwierigkeit umkehren. Außerdem hatte sie genügend Verpflegung bei sich, und wenn sie wirklich zu müde zum Weiterreiten sein würde, konnte sie ihre Satteldecke an einer geschützten Stelle auf den Boden legen und ein wenig ausruhen, bis sie wieder
frisch genug war, um weiterzureiten. Schlafen konnte sie immer noch, wenn sie einen abgelegenen Ort gefunden hatte, der sicher genug war.
Sie nahm die Zügel wieder auf und bog entschlossen in die Straße durch die Ebene ein. Eine frische Brise fuhr durch den Kragen ihres himmelblauen Umhangs und Sarandons Schwert schlug im Rhythmus des Pferdes leicht gegen ihren Oberschenkel. Wieder bekam sie Lust zu lachen und zu singen und schien
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