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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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noch zerknittert und von ihren Tränen verschmiert auf ihrem Nachttisch lag. Hatte ihr Bruder dies bezweckt, als er ihr geschrieben hatte? Erwartete er, dass sie so reagierte? Sie war sich beinahe sicher, dass sie ihn das nicht mehr fragen konnte.

    Ihr war sofort klar, dass sie nicht unbewaffnet reisen konnte. Aber wie sollte sie sich ein Schwert beschaffen, ohne dass jemand im Königspalast von Astu Thilia davon erfuhr? Dann hatte sie plötzlich eine Idee, die sie allerdings zunächst heftig von sich wies: Nein, das war unmöglich, absurd, ja geradezu ein Sakrileg. Aber da sie keine andere Möglichkeit fand, kam ihr der Gedanke wieder in den Kopf, und jetzt erschien er ihr sogar verlockend.
    Sie würde das Schwert des Sarandon Sulpicius unter ihrem Umhang verbergen und damit fliehen.
    Es war die einzige Waffe in Reichweite. Niemand betrat je die Bibliothek. Sarandons Schwert: warum eigentlich nicht? Sie hatte sich immer gewünscht, es zu ergreifen, wenigstens ein einziges Mal. Und wenn es wirklich eine magische Waffe war, wie es in der Überlieferung hieß, gab es für sie keinen besseren Schutz. Wenn sie es recht bedachte, hatte sie im Augenblick ein größeres Anrecht auf sie als jeder andere in Astu Thilia. Ihre Familie stammte in direkter Linie von Sarandon ab; und der Besitz der magischen Waffe wurde durch Blutsverwandtschaft übertragen, wenn ihr Eigentümer eines natürlichen Todes starb. Sicher, im eigentlichen Sinne gehörte sie ihrem Vater Gavrilus, aber der hatte sie nie berührt. Zumindest für einige Zeit würde niemand das Fehlen des Schwertes bemerken, man würde damit beschäftigt sein, nach ihr zu suchen, und Cailín, die Ehrenwerte, würde nach so langer Zeit wieder die Sicherheit der Elbenhauptstadt verlassen.
    Sie würde einer so ruhmreichen Waffe wohl kaum noch mehr Ehre einbringen können, aber ganz bestimmt würde sie sich sicherer fühlen, wenn sie sie bei sich trug. Außerdem hatte Alfargus sie die Kampfkunst gelehrt.
    All das legte sie Alyssa dar und hatte von ihr einigen Widerstand erwartet, doch die Dienerin zeigte sich keineswegs empört über ihre Idee. »Ihr braucht etwas, um Euch zu verteidigen«, räumte sie ein. Sicher, sie glaubte nicht daran, dass dieses Schwert über magische Kräfte verfügte, das hielt sie nur für eine alte Legende.
Vielleicht glaubte sie nicht einmal, dass es tatsächlich Sarandon gehört hatte.
    So kehrte Adilean in den Raum zurück, in dem man Cailín aufbewahrte, und merkte, dass sie kurz zögerte, bevor sie mit entschlossenem Schritt auf die alten Pergamente zuschritt. Zwischen den Handschriften befand sich die Vitrine, vor der sie als kleines Mädchen so oft gestanden hatte. »Nun denn«, dachte sie. Sie würde jetzt die erste von einer langen Reihe von Verrücktheiten begehen. »Und das Schlimmste ist, dass ich es nicht einmal bereuen kann.«
    Vorsichtig öffnete sie den Schrein. Ein Aufblitzen lief über die Klinge, und es sah aus, als zwinkere Cailìn ihr zu. Sie war versucht zu glauben, dass dieses Schwert glücklich wäre, nach so langer Zeit einmal wieder von jemandem in der Hand gehalten zu werden. Adilean holte tief Luft, bevor sich ihre Finger um den Griff schlossen und sie die eingravierte Schlange in ihrer Handfläche spürte. Sie nahm das Schwert aus der Halterung und es kam ihr plötzlich ganz natürlich vor, dass es sich lauwarm auf ihrer Haut anfühlte und nicht eiskalt, wie sie es erwartet hätte. Diese Waffe verfügte schließlich über magische Kräfte. Es handelte sich um das wahre Schwert von Sarandon Sulpicius, und während Adilean es an ihrem Gürtel befestigte und es unter ihrem himmelblauen Umhang verbarg, durchzog sie das Gefühl, nein, die Gewissheit, dass diese Waffe eigene Gedanken und einen eigenen Willen hatte. Sie schloss den Schrein wieder und blieb noch ein wenig vor ihm stehen. Dann nickte sie sich zu und verließ so schnell wie möglich den Raum. Es war richtig so. Sie wusste, dass es richtig war.
    Als der Moment gekommen war, flehte Alyssa sie ein letztes Mal an, doch nicht zu gehen, aber Adilean schüttelte nur leicht den Kopf, und die Dienerin verstummte. Sie folgte ihr bis in die Stallungen, wie viele andere Male zuvor, wenn die Prinzessin ausreiten wollte. Der Stallknecht musterte ein wenig erstaunt ihre bäuerliche Kleidung, sagte aber nichts. Es war seltsam für sie, die
Ställe zu betreten, in denen sie so oft gewesen war, an den Plätzen ihrer drei Pferde vorbeizulaufen und sich dabei an die vielen

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