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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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ihre Müdigkeit ganz vergessen zu haben, weil es so herrlich war, über diese gewundene Straße zu reiten, die sich durch die Wiesen schlängelte, und diese Wiesen waren voller blühenden Heidekrauts, ab und an sah man kleine Gruppen Wildpferde grasen, weiter unten hob eine einsame Kuh ihre ruhigen Augen und musterte sie misstrauisch. Dort im Hintergrund der Straße schritt eine Gruppe Reisender voran, vielleicht Wanderschauspieler, die sie freundlich grüßten und ihre Mützen lüfteten, als sie ihr begegneten.
    Bisweilen entdeckte sie ein kleines, mit Stroh gedecktes Haus inmitten der Felder, aus dessen Schornstein dünner Rauch aufstieg, mit Blumen im Garten und einem Hund vor der Tür, dessen Bewohner sicher am Kamin saßen und eine Mahlzeit genossen. Es war ihr, als säße sie selbst mit diesen einfachen Leuten vom Land am Tisch, mit denen sie noch nie in Berührung gekommen war und die vielleicht glücklicher waren als die Bewohner großer Paläste, selbst wenn in diesen Zeiten die Angst schwer über allen hing, egal ob arm oder reich. Keine Speise, die sie je auf ihrem Teller im Königspalast von Astu Thilia vorgefunden hatte, schmeckte ihr besser als die Brotfladen, die Alyssa ihr eingepackt hatte. Manchmal bewegte sich Amorannons Sohn in ihrem Bauch, dann flüsterte sie ihm Koseworte zu und dachte, dass vielleicht auch ihr Kind spürte, dass sich etwas verändert hatte, und glücklich darüber war. Das war auf jeden Fall besser, als still dazusitzen und den Lauf der Ereignisse abzuwarten. Sie bedauerte keinen Augenblick, dass sie aufgebrochen war. Manchmal
lief ihr ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, dass ihr jede Lust auf eine Rückkehr vergangen sein könnte. Und tatsächlich, warum sollte sie das tun?
    Der Sturm kam am dritten Tag ihrer Reise auf, als sie ihrem vorgesehenen Ziel schon sehr nahe war.
    In den vergangenen Tagen und Nächten hatte sie nur wenig geschlafen und langsam lastete die Müdigkeit schwer auf ihr. Sie bemerkte die grauen Wolken, die sich dunkel am Himmel zusammenballten, erst, als ihr kalte Tropfen auf Gesicht und Hände fielen. Vergebens sah sie sich nach einem Unterschlupf um, soweit das Auge reichte nur Felder, weder Bäume noch Felsen. Von einem Haus ganz zu schweigen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als weiterzureiten, bis sie einen Platz zum Unterstellen fand, wo sie das Ende des Platzregens abwarten konnte, denn das Tröpfeln hatte sich inzwischen in einen dicht und hämmernd fallenden Regen verwandelt und der Wind, den sie an den sonnigen Tagen als so angenehm empfunden hatte, peitschte ihr jetzt ins Gesicht. Sie zog ihre Kapuze über den Kopf, schloss die Finger fest um die Zügel und trieb das Pferd an. Ein bisschen Regen würde sie nicht aufhalten können: Sie war auf dem Weg und sie würde es schaffen. Doch plötzlich bekam sie keine Luft mehr, sie kam aus dem Takt und prallte hart gegen den Sattelknauf. Der Schmerz wäre unangenehm gewesen, wenn Adilean nicht ein anderer, ein viel heftigerer Schmerz wie eine brennende Lanze den Bauch durchbohrt hätte. Etwas stimmte nicht. Zitternd vor Angst dachte sie daran, dass ihrem Kind etwas zugestoßen sein könnte. War es der Schlag gewesen oder die Anstrengungen der vergangenen Tage? Doch ihr blieb keine Zeit mehr, sich diese Frage zu beantworten, da sie eine weitere Welle des Schmerzes überkam, ihr die Zügel aus der Hand glitten, und bevor sie das Pferd wieder unter Kontrolle bringen konnte, fiel Adilean Eletilla aus dem Sattel in den Schlamm.
    Es gelang ihr nur teilweise zu rekonstruieren, was danach geschehen war. Sie war sicher, dass sie sich den Kopf angeschlagen
hatte, wahrscheinlich hatte sie das Bewusstsein verloren. Ihr erste, wenn auch unzusammenhängende Erinnerung war, dass der Regen aufgehört hatte, ihr Pferd geflohen war und sich eine dunkle Gestalt über sie gebeugt und ihr eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. Krämpfe schüttelten ihren Körper und die Tränen liefen ihr über die Wangen, ohne dass sie etwas hätte tun können, um sie zurückzuhalten, zwischen ihren Beinen quoll das Blut in Strömen hervor. Ihr einziger Gedanke galt ihrem Kind, ihrem und Amorannons Sohn. Was hatte sie ihm angetan? Die über ihren Körper gebeugte Gestalt hatte ihre Schulter gestreichelt und mit leiser, rauer Stimme freundlich gesagt: »Bleibt ganz ruhig, Herrin, ganz ruhig und versucht zu atmen.«
    Adilean war dem Ratschlag gefolgt, weil ihr nichts Besseres einfiel. Sie hatte große Mengen Luft eingesogen und

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