THARKARÚN – Krieger der Nacht
Vorherrschaft über alle Minenarbeiter des Reiches den Titel »Der Große Bergwerker« trug, hatte als Einziger das Recht, dieses alte, höchst kostbare Kleinod zu berühren. Pelcus Vynmar war durch und durch Dieb, er konnte einfach nicht anders: Selbst in dieser Situation dachte er noch darüber nach, wie einträglich es wäre, die Spitzhacke zu stehlen, um eine große Menge Lösegelds zu erpressen. Aber das war natürlich reine Fantasie, der Plan würde sich nie in die Tat umsetzen lassen, und das nicht nur wegen
seiner gegenwärtigen Lage. Wer auch immer diesem Zepter zu nahe kam, hätte im Handumdrehen einen grausamen Tod gefunden. Deshalb wandte sich Pelcus ohne Bedauern von diesem Gedanken ab, um sich auf die überraschende Anwesenheit einer hochgewachsenen, weiß gekleideten, in einen grünen Umhang gehüllten Gestalt zu konzentrieren, auf deren Schulter sich ein Uhu niedergelassen hatte und die mit ernstem Blick neben dem Thron stand. Dass er sich in unmittelbarer Nähe des Großen Bergwerkers aufhalten durfte, ohne dass die Wachen ihn im Auge behielten, erregte Pelcus’ Misstrauen, und er schloss daraus, dass der Mann, der einen dichten roten Bart trug und dessen Alter er nicht hätte schätzen können, vermutlich ein Druide war. Jedenfalls musste er sehr bedeutend, mächtig und ehrenwert sein.
»Verbeug dich«, brüllte ihn Ulf Ghandar an, während er sich ehrerbietig vor dem König und dem Unbekannten verneigte, Pelcus mitriss und die Gelegenheit nutzte, ihm sein Knie in den Hintern zu rammen.
Pelcus verbeugte sich ungeschickt und einen Moment lang begegneten seine Augen denen des rothaarigen Druiden. Sie waren dunkel und tief und nicht weniger durchdringend als die gelben großen Augen des Uhus, der auf seiner Schulter saß. Pelcus hatte den Eindruck, er hätte in ihnen ertrinken können, wenn er einen Moment zu lange hineingesehen hätte.
Um die Augen des Druiden zog sich ein feines, bewegliches Netz aus Falten, und Pelcus fragte sich, wer der Mann wohl war und wie alt er sein mochte. Der Zwerg erschauerte. In diesen Augen lag deutlich mehr Macht und Erinnerung, als jemand in der normalen Lebenszeit eines Sterblichen hätte ansammeln können. Im Vergleich zu ihm kam Pelcus sich plump und ungeschickt vor. Er war gedrungen und untersetzt und reichte dem Unbekannten etwa bis zum Oberschenkel; sein struppiger Bart verlieh seinem viereckigen Zwergengesicht keinerlei Würde, ganz im Gegensatz zu dem vornehmen Bart des Druiden. Mit seinem breiten Mund, der dicken platten Nase, den stechenden, dunklen Augen und
den dichten schwarzen Haaren, die ihm in einem Zopf bis auf den Rücken fielen, war Pelcus Vynmar noch nie eine attraktive Erscheinung gewesen. Aber das hatte ihn nie bekümmert. Dennoch versetzte ihn dieser Fremde in eine ungewöhnliche Aufregung.
Als er sich aufrichtete, bemerkte er, dass der Große Bergwerker mit dem Zepter in seine Richtung deutete.
»Pelcus Vynmar«, verkündete er mit tiefer, dröhnender Stimme, die wie die eines echten Herrn der Zwerge klang.
Pelcus nickte und ein zweiter heftiger Kniestoß von Ulf Ghandar erinnerte ihn daran, mit einem schmerzerfüllten: »Ja, Euer Majestät«, zu antworten. Er spürte, wie die durchdringenden Augen des Druiden auf ihm ruhten, ein ausgesprochen unangenehmes Gefühl. Es schien, als könnten sie durch ihn hindurchsehen oder schlimmer noch bis in sein Inneres dringen.
Der Große Bergwerker legte das Zepter in seinen Schoß. » Wir benötigen deine Dienste für eine Mission von lebensnotwendiger Bedeutung«, verkündete er, und seinem Blick war leicht anzusehen, dass ihm diese Tatsache ganz und gar nicht gefiel. Ihm wäre es zweifellos lieber gewesen, Pelcus vom Angesicht der Erde ausgelöscht zu wissen. »Der, den du hier zu meiner Seite siehst, du Verbrecher, ist der Magus. Behandele ihn mit Ehrfurcht. Er ist so groß, wie du es aus den Legenden weißt, und wahrscheinlich noch größer. Unter seiner Führung wirst du zum Wohl der Völker kämpfen, und wir verhehlen dir nicht, dass das Schicksal von allem, was da lebt, auch von deinen Taten abhängen wird. Deshalb sei tapfer und treu und folge den Befehlen, dann werden wir dir dafür dein Leben und deine Freiheit schenken.«
Pelcus drehte sich nicht um, aber er hörte, wie Ghandar hinter ihm mit seinen Metallzähnen knirschte. Dem Oberst schien diese Aussicht nicht zu gefallen.
»Solltest du uns aber verraten oder uns eine Probe deiner wohlbekannten Unredlichkeit geben«, fuhr der König
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