THARKARÚN – Krieger der Nacht
wirklich Wichtiges zu berichten hätte, besonders jetzt, wo alle wissen, wie erschöpft er ist. Vielleicht sollten wir uns ebenfalls anhören, was er zu sagen hat.«
Trotz des Wörtchens »vielleicht« klang der Vorschlag seines Bruders wie ein Befehl. Daher streckte ihm Dhannam wortlos eine Hand entgegen. Alfargus ergriff sie und half ihm auf, dann folgten sie dem Oberst zum Zelt des Königs. Ein kalter Wind fuhr Alfargus durch die Haare und blähte seinen Umhang, der Himmel war immer noch schwer und grau. Unter der bleiernen Wolkendecke konnte man in der Ferne die Posten der Kompanie
der Kameraden in ihren schwarz-grauen Uniformen erkennen, die den Hügel eingekreist hielten.
Dhannam schauderte. »Der Winter steht vor der Tür«, murmelte er.
»Krieg steht vor der Tür«, wandte Alfargus ein, ohne ihn anzuschauen. »Und viele Sorgen. Ich muss immer an die Nachricht denken, die uns der Magus durch seinen Uhu geschickt hat. Je schneller wir Thix Velinan fangen, desto besser. Wir haben keine Zeit zu verlieren, eine lange Belagerung der Höhle können wir uns nicht leisten. Weißt du, dass alle anderen schon auf der Insel sind? Um geheime Absprachen zu treffen, braucht man keine offizielle Ratsversammlung, und es gibt viele dort, die nur auf eine Gelegenheit lauern, sich mit List und Tücke ihren Vorteil zu verschaffen. Amorannon ist zwar vor Ort und hat seine Augen und Ohren überall, aber ich will lieber selbst dabei sein.« Er griff nach dem Glöckchen am Eingang des königlichen Zeltes und läutete. »Dürfen wir eintreten, Vater?«
»Ihr seid zu zweit?«, hörten sie von drinnen Gavrilus fragen – er klang wie ein alter Mann. »Kommt herein. Oberst Seridien ist gerade hier, um mir Bericht zu erstatten, und ihr solltet das besser auch hören. Ich wollte gerade einen Pfefferminztee bringen lassen, wenn es euch recht ist. Lyndar, den Tee!«
Der königliche Leibdiener verließ eilig das Zelt, als die beiden Brüder eintraten. Drinnen war es düster, nur ein Kohlebecken, das auch ein wenig Wärme spendete, erhellte das Dunkel. Neben ihm standen ein kleiner Tisch und mehrere Stühle. Gavrilus und Oberst Seridien hatten bereits Platz genommen, Alfargus und Dhannam setzten sich auf ein Zeichen des Königs ebenfalls. Dhannam fielen die dunklen Augenringe und die eingefallenen Wangen im Gesicht seines Vaters auf.
Der Elbenkönig trug ein blaues Gewand und ein silbernes Diadem auf dem Kopf und trotz aller Sorgen wirkte er ruhig und gelassen. Er lächelte seinen Söhnen zu und wandte sich dann an Seridien. »Sprecht weiter, Oberst«, forderte er ihn auf, »es besteht
kein Grund, verlegen zu sein. Ich weiß genau, dass Ihr alles tut, was in Eurer Macht steht, und mir dies ersparen würdet, wenn es möglich wäre. Sagt nur, was Ihr zu sagen habt.«
Lyndar betrat wieder das Zelt und servierte den heißen Tee, was Seridien noch etwas Zeit verschaffte, seine Gedanken zu ordnen und die richtigen Worte zu finden.
»Ich fürchte, die Situation ist außerordentlich verfahren, Majestät«, begann er unsicher. Gavrilus nahm einen Schluck Tee und nickte ihm aufmunternd zu, das Zelt war jetzt von Pfefferminzduft erfüllt.Wie zu Hause, dachte Dhannam. Doch auch das schien nicht dazu beizutragen, dass Seridien gelassener wurde.
»Ich wünschte, General Asduvarlun wäre jetzt hier«, fuhr der Oberst fort. »Er kennt Velinan viel besser als ich. Ich fühle mich wie ein schlechter Schauspieler in einer Rolle, die andere, weit bessere schon einmal gespielt haben. Velinan ist am Eingang seines Verstecks aufgetaucht und hat eine weiße Fahne geschwenkt. Ich habe Hauptmann Calidor beauftragt, mit ihm zu verhandeln, doch Velinan weigerte sich, mit einem Soldaten von niederem Rang zu sprechen, also bin ich zu ihm gegangen. Er verlangte, dass ich ihm ins Innere der Höhle folge, hat aber gestattet, dass mich bewaffnete Soldaten begleiten.« Seridien trank einen großen Schluck Tee und seufzte tief, als versuche er vergebens, sich von einer schweren Last zu befreien. » Velinan hat dort unten eine recht geräumige Höhle mit Wasser- und Lebensmittelvorräten. Einen geheimen Fluchtweg habe ich nicht erkennen können. Das Problem ist wieder einmal, dass der Raum mit Sprengstoff vollgestopft ist und jeden Moment in die Luft gehen kann. Velinan hat keinen Zweifel daran gelassen: ›Eine kleine Vorsichtsmaßnahme, die ich immer treffe, wenn ich einen Schlupfwinkel habe, den man ausfindig machen kann.‹ Kurzum, er droht, den Sprengstoff zu
Weitere Kostenlose Bücher