Tharsya. Die Rückkehr der roten Drachen
ganzen Zeremonie der Drachenmahlzeit schien das Leben im Dorf der Moosleute stillzustehen: Die Frauen traten in die Türen mit Besen in den Händen, oder womit sie gerade werkelten, ebenso die anscheinend unabkömmlichen Handwerker: Der Bäcker drehte seinen Sauerteig in den Händen, während er sich den hals verrenkte um einen Blick auf den Drachen werfen zu können, und der Töpfer hatte seine Scheibe in Blickrichtung gestellt und war aber so abgelenkt, dass ihm die Vase in waghalsige Kurven verwabbelte. Die Schule hatte Pause und in den Fenstern hingen die Kinder und hinter ihren interessierten Köpfen war die Lehrerin zu erkennen.
Im Eingang zur Höhle erschienen gehetzt die Nachzügler, ließen, was sie mitgebracht hatten stehen und liegen und verharrten, ein bisschen verschämt und mit den Händen hinter dem Rücken, weil sie sich verspätet hatten.
Als auch der letzte Moosmann seine Schale im Napf entleert hatte und wieder herabgestiegen war, wandten sich alle dem Drachen zu und wünschten ihm guten Appetit. Er dankte ihnen artig und nahm dann den Topf zwischen die Vordertatzen und führte ihn zum Maul.
Lumiggl, angesteckt von der feierlichen Stimmung, hielt den Atem an. Es war doch sicher schwierig für einen Drachen, aus einem Topf zu essen. Schließlich hieß es in den Sagen immer, Drachen würden Tiere reißen und während des Fluges verspeisen. Lumiggl stellte sich die Umstellung sehr problematisch vor, selbst für einen Drachen, der seine Beute nicht im Flug auffraß, weil er nicht fliegen konnte. Dieser Drache hier aber aß nicht nur aus dem Topf, er schaffte es auch noch ohne schmatzen und schlürfen und nicht ein Tröpfchen kleckerte daneben. Von Zeit zu Zeit setzte er den Topf ab und sah sich zufrieden um. Als er am Schluss fein säuberlich den Topf ausleckte und sehr diskret rülpste, brandete Beifall auf.
„Ob die das jeden Tag machen?“, riss Floritzl Lumiggl da aus seinen Betrachtungen.
Ein neben ihm stehender Moosmann musterte ihn erstaunt und warf sich in die Brust: „Selbstverständlich zu jeder Mahlzeit! Also, dreimal am Tag! Wir sind sehr stolz darauf – es ist ein Privileg!“
Damit ließ er den Elf stehen. Der sah ihm noch einen Moment staunend nach und überlegte sich gerade, ob er sich schämen sollte, da stieß Lumiggl in an: „Guck mal, da kommt einer!“
Lumiggl schaute in die Richtung in die der Elf deutete.
„Der kommt daher, als wäre er ein König!“, fand er.
„Das muss ein besonders einflussreicher Moosmann sein – vielleicht der Älteste der Ältesten.“
„Dem Alter nach kann er das aber nicht sein.“
„Dem Bart nach aber schon. Guck mal, der sieht aus wie ein Ginstergestrüpp.“
„Also ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein Kriterium für seine Stellung in der Gemeinde ist ...“
„Was macht er denn jetzt?“
„Er hat den Drachen gefragt, ob es geschmeckt hat.“
Es wurde vielleicht schon erwähnt, dass Womblinge für ihr gutes Gehör berühmt waren. Die Antwort des Drachen war auch für den Elf klar zu verstehen: Andrak lobte das Essen als sehr delikat und wohlschmeckend und versicherte, dass er gesättigt und zufrieden sei.
Das hatte der Moosmann anscheinend hören wollen. Er lächelte den Drachen an, strich sich befriedigt über den zottigen Bart, bevor er sich zu seinen Leuten zurückwandte.
„Es hat gemundet“, verkündete er gewichtig.
Das hatten wohl alle hören wollen. Jetzt erst wandte sich jeder seinem Tagwerk zu.
Auch Lumiggl und Floritzl waren mit dem Essen fertig. Als Andrak das bemerkte, lud er sie mit einer Geste ein, sich zu ihm zu gesellen, was sie gerne taten.
„Wie hältst du das nur aus?“, platzte Lumiggl heraus.
„Ja ich weiß“, gab Andrak zu. „Es ist eine Unart, den Topf auszuschlecken. Aber es macht den Moosleuten Freude. Sie sind dann sicher, dass es mir geschmeckt hat.“
„Das meine ich nicht – aber ihr Drachen jagt doch immer Wild und fresst es dann roh ...“ den Zusatz ,im Flug` ließ Lumiggl taktvollerweise weg. „Und jetzt kriegst du nur gekochten Gemüsebrei!“
„Oh das“, der Drache machte eine wegwerfende Tatzenbewegung. „Alles Gewohnheit. Drachen sind, was wenig bekannt ist, – und auch nicht groß herumerzählt wird, zumal es nicht in das hergebrachte Bild vom fletschenden Drachen passt – von Natur her Allesfresser. Außerdem gibt es ja nicht immer Brei. Und egal, was es ist, ich bekomme immer Fleisch dazu – heute, in dem Eintopf, war es mundgerecht gewürfelt – also,
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