Tharsya. Die Rückkehr der roten Drachen
sah sie dem Wombling zu, wie er versuchte, eine exotische Frucht, die aussah wie ein Apfel, der versucht, eine Tomate zu sein, auch noch auf dem Teller unter zu bringen.
„Keine Angst, das Buffet verschwindet nicht.“
„Was?“ Lumiggl erschrak richtig, so vertieft war er in seine Essensschichtung gewesen.
„Das Buffet bleibt immer hier stehen und es wird niemals leer. Du kannst dir also jederzeit einen Nachschlag holen“, lächelte die Dryade.
Lumiggl blickte auf seinen überhäuften Teller und wurde mal wieder rot. Was musste die Fee denn jetzt von seinen Manieren halten! Womöglich dachte sie, bei ihm zu Hause würden alle noch gemeinsam aus einem Erdloch essen, oder so. Nein, wie peinlich. Wenn er doch im Boden versinken könnte – oder wenigstens der Teller.
Aber die Fee lud ihn freundlich mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen und reichte ihm eine Gabel. Über die Riesenportion auf seinem Teller verlor sie kein Wort und der Wombling war ihr dankbar dafür.
Letztendlich erwies sich die Portion gar nicht als so groß. Lumiggl verputzte alles, als hätte er seit Wochen nur von Wurzeln und Beeren gelebt. Und alles schmeckte sehr gut – bei manchem wusste er nicht, wonach, aber auf jeden Fall köstlich. Während er mit Hingabe kaute, trafen die ersten Feen ein. Auch sie bedienten sich vom Buffet, das schon wieder völlig unberührt aussah, aber die meisten eher lustlos und eine rümpfte sogar die Nase. Lumiggl sah das mit Verwunderung. Anscheinend bekam es den Feen nicht, täglich so verwöhnt zu werden. Sie wussten es überhaupt nicht zu schätzen. So gesehen war er sogar ein bisschen froh über sein Missgeschick mit dem überhäuften Teller. Da hatte der unsichtbare Koch, falls es denn einen gab, sehen können, dass wenigstens ein Gast sein Essen schätzte (45) .
Als etwa ein Dutzend Feen angekommen war, bemerkte Lumiggl eine, die völlig unordentlich und zerzaust aussah. Die Dryade, die sich neben Lumiggl Platz genommen hatte, folgte seinem Blick.
„Sieht so aus, als hätte die Gute Fee einen bösen Tag gehabt“, flüsterte sie.
„Die wer?“
„Die Gute Fee – na, sie soll das am Besten selbst erzählen. Wie ich sie kenne, brennt sie bereits darauf“, die Dryade zwinkerte Lumiggl zu und hob dann die Stimme: „Gute Fee – was ist dir denn zugestoßen?“
Die Angesprochene holte tief Luft: „Ach, wenn du wüsstest ...“
Merkwürdigerweise hatten plötzlich alle Feen am anderen Ende des Buffets zu tun. Aber die als 'Gute Fee' bezeichnete schien das gar nicht zu bemerken. Sie schnappte sich ihren Teller und rauschte zu Lumiggl und der Dryade wie ein Dreimaster, der mit vollen Segeln durch die Wellen pflügt. Die Dryade stellte Lumiggl vor und die Gute Fee nickte ihm huldvoll zu, während sie in einen Sessel mit hoher Rückenlehne sank.
„Was ist denn geschehen?“, fragte die Dryade noch einmal.
„Ach schrecklich! Ich war im Wald unterwegs zu diesem dummen Ding von einem Teenager ...“ Sie beugte sich voller Eifer zu Lumiggl und fuhr wild gestikulierend fort: „Du kannst das nicht wissen, Wombling, aber ich gehöre zu den Guten Feen, die bei den Menschen einsamen aber tugendhaften, armen aber guten und unterdrückten aber braven Mädchen helfen, ihren Prinzen zu bekommen. Ich persönlich bin für die Sektion 'Mädchen lebt arm allein im Wald' zuständig. Ich kann dir sagen, heutzutage ist das gar nicht so einfach! Mit den Menschen zu tun zu haben war schon immer ein Kreuz, alle haben sie übertriebene Vorstellungen und sagen nachher noch nicht einmal danke – aber heutzutage ist es noch schlimmer! Man findet einfach keine Mädchen mehr, die allein im Wald leben wollen! Nicht mal, wenn man Ihnen Pay-TV und Internetanschluss verspricht.“
Lumiggl wagte gar nicht erst zu fragen, wovon sie gerade sprach. Nicht auszudenken, wenn sie das auch noch erklärt hätte! Statt dessen bemühte er sich, wissend dreinzuschauen und zu nicken, wann es passend schien. Die Fee war auch mehr damit beschäftigt, ihre Geschichte loszuwerden, als nachzuprüfen, ob und wie sie verstanden wurde. Und jetzt kam sie erst richtig in Fahrt.
„Wenn dann mal eine ins Wochenendhäuschen im Wald kommt – vielleicht, um fürs Abitur zu lernen – dann ist todsicher gerade kein Prinz zur Hand!“, schimpfte sie. „Und die normalen Jungs? Die, die den Mädchen gefallen, fahren Auto, am besten Cabrio und haben ständig Probleme mit den Ohren, was bei dem Fahrtwind und den lauten Konzerten, die sie
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