Tharsya. Die Rückkehr der roten Drachen
und die Hände in den Schoß gelegt. Die zweite Dryade saß ebenso stumm neben ihr. Um sie herum stritten die Feen wild gestikulierend und aufgebracht, jede mit jeder. Ein Wunder, dass das Baby nicht aufwachte. Dryaden hatten offensichtlich schon von Geburt an die Ruhe weg.
Der Streit verschärfte sich. Schon drohte die eine oder andere Fee mit Zauberei. Da wandte die Dryade den Kopf und sah Lumiggl in die Augen. Ihr Blick schien sich direkt in sein Gehirn zu bohren und ein Kraft durchströmte ihn durch und durch. Plötzlich wusste er genau, was zu tun war. Er stand auf, ging zu einer Kristallschale voller Obst, die auf einem Seitentischchen stand, hob sie hoch, wog sie nachdenklich in beiden Händen und schleuderte sie dann mit voller Wucht gegen die nächste Wand. Der ohrenbetäubende Knall, als die Glasschale in tausend Scherben zersprang, ließ die Feen schlagartig verstummen. Aller Augen richteten sich hinab auf den Wombling.
Lumiggl war einen Moment verunsichert. Was war da in ihn gefahren? Er blickte zur Dryade. Sofort war ihm alles wieder klar. Er atmete tief durch, reckte das Kinn in die Höhe, um dann seine Stimme zu erheben und die klang wie Donnerhall: „Ich bin empört! Und erschüttert! Ganz Tharsya steht vor dem Untergang und ihr streitet um Kinkerlitzchen! Ihr streitet euch, wer hier das Sagen hat? Ich will euch sagen, wer hier das Sagen hat: Ich! Und nur ich.
Alles hängt davon ab, dass ich den großen Zauberer finde – sonst werdet ihr bald nichts mehr haben, worum ihr streiten könnt. Lasst also die albernen Gemeinheiten.“
Lumiggl schien bei jedem Atemzug zu wachsen. Keine der Feen kam auch nur auf die Idee, ihn als Respektsperson anzuzweifeln. Sie zogen also alle die Köpfe ein und hofften auf das Ende seiner Rede.
Aber Lumiggl kam gerade erst in Fahrt: „Schämt euch, ihr kleinlichen, missgünstigen Weiber! Womblinge und Elfen, Moosleute und Zwerge und auch all die anderen, sie stehen vereint zusammen um dem übermächtigen Feind die Stirn zu bieten. Ihre Chancen sind gleich Null, aber sie versuchen es – und ihr? Ihr – die einzigen mit Zaubermacht begabten. Ihr – die einzigen, die hoffen dürften, den gräulichen Feind wenn nicht gar zurückzuschlagen, so doch wenigstens aufzuhalten!“
Tief im Inneren des Womblings regte sich der eigentliche Lumiggl und sah sich selber verwundert zu. Was für ein schwülstiges Zeug gab dieser andere Lumiggl da denn von sich? Gut, dass ihn keiner seiner Freunde hören konnte.
„Ihr – die ihr ein leuchtendes Beispiel für alle Völker sein solltet für Klugheit und Harmonie! Ihr zankt euch über Nichtigkeiten! Ihr seid launisch, egoistisch und nachtragend!“
Habe ich noch was vergessen? Nein, dieser Angeber hat wohl alles gesagt. Würden sie jetzt einen Frosch aus ihm machen – oder eher eine Maus? Schade, dass sie dabei auch den armen, verzagten, unschuldigen Lumiggl mitverwandeln werden.
Eine der Feen, augenscheinlich die Herbstfee, wollte etwas sagen, doch Lumiggl herrschte sie an: „Schweig!“
Der innere Lumiggl nahm erstaunt, aber mit Interesse wahr, dass sie die Zurechtweisung nicht nur akzeptierte, sondern errötend zurückwich. Vielleicht doch keine Verwandlung?
Aber die Rede war noch nicht zu Ende. Es fehlte noch der große Aufruf: „Ihr müsst mir helfen mit eurer Macht! Und ihr müsst den Völkern der Tharsya beistehen. Haltet die schrecklichen Drachen und ihre garstigen Verbündeten auf, solange es geht. Nur eure Einigkeit kann unser Land retten! Eure Zauberkraft ist unsere letzte Hoffnung, bis ich den Zauberer gefunden habe!“
Lumiggl setzte sich wieder hin. Der selbstsichere Wombling löste sich flugs auf und zurück blieb ein Wombling, der sich fragte, wie sich wohl verheimlichen ließ, dass er diese Rede gehalten hatte. War das peinlich gewesen! Ganz klar, da steckte die Dryade dahinter. Wie hatte sie das nur gemacht? Und was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Warum war sie nicht einfach selber aufgestanden und hatte diesen entsetzlichen Vortrag selbst zum Besten gegeben? Jedenfalls war er sich sicher, dass er sich niemals so ausgedrückt hätte! Aber es hatte wohl gewirkt. Die Feen standen da wie eine Herde begossener Pudel. Alle blickten vor sich auf den Boden und keine sagte ein Wort.
Lumiggl, jetzt ganz der alte und dementsprechend wieder unsicher, guckte zur Dryade. Sie nickte ihm zu. Also räusperte er sich und fragte in die Runde: „Also, was – was wollt ihr jetzt tun?“
Verlegenes Schweigen.
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