The Attack
Zivilisten im Ausland einerseits und zu einer Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten in den USA und andernorts andererseits führen, obwohl man die Fähigkeit gutgeölter Propagan-damaschinerien, die Menschen zu irrationalen, mörderischen und selbstmörderischen Verhaltensweisen zu treiben, nicht unterschätzen darf. Nehmen wir ein Beispiel, das zeitlich lange genug zurückliegt, um mit einiger Lei-denschaftslosigkeit betrachtet zu werden: den Ersten Weltkrieg. Alle Beteiligten zogen in einen ihrer Ansicht nach edlen Krieg, in dem sie für die höchsten Ziele kämpften. Die Soldaten marschierten mit außergewöhnlicher Begeisterung in die Schlacht und das Schlachten, be-gleitet und bestärkt von Beifallsrufen der Intellektuellen und ihrer Helfershelfer von links bis rechts, eingeschlossen die seinerzeit weltweit stärkste politische Kraft der Linken, die deutsche Sozialdemokratie. Die Ausnahmen lassen sich praktisch an einer Hand abzählen, und für manche prominenten Kritiker des Krieges endete das pazifistische Engagement im Gefängnis, wie etwa für Rosa Luxemburg, Bertrand Russell und den amerikanischen Pazifisten und Arbeiterführer Eugene Debs. Dank der Unterstützung von Woodrow Wilsons Propagandaagen-turen und dem enthusiastischen Beifall liberaler Intellek-Usama Bin Ladin und die USA 51
tueller wurden die Vereinigten Staaten, ein pazifistisches Land, innerhalb weniger Monate in eine anti-deutsche Hysterie gestürzt, voller Rachsucht gegen ein Land, das grausame Verbrechen begangen hatte, die jedoch zumeist vom britischen Propagandaministerium erfunden worden waren. Aber solche Entwicklungen sind nicht unvermeidbar, und wir sollten den zivilisatorischen Effekt der Bür-gerrechtsbewegungen in diesem Land nicht vergessen.
Wir müssen nicht der Katastrophe entgegeneilen, nur weil entsprechende Marschbefehle ausgegeben wurden.
Anmerkung
l Guardian vom 29. September 2001.
V. Terrorismus und Zivilisation
Staatliche Gewalt im Zeichen des »Kriegs gegen den Terrorismus«
An einem konkreten Beispiel will ich zeigen, was die Ausweitung staatlicher Gewaltmaßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus bedeuten kann. Am 21. September
druckte die New York Times einen Kommentar von Michael Walzer, einem geachteten Intellektuellen, der als moralische Instanz gilt.1 Er rief zu einem »ideologischen Feldzug auf, bei dem alle Argumente und Entschuldigungen für den Terrorismus aufgeboten und widerlegt« werden sollten. Da er weiß, daß es für den von ihm gemeinten Terrorismus keine vernünftigen Argumente und Entschuldigungen gibt, läuft seine Aufforderung eigentlich darauf hinaus, die Ursachen für die Terrorakte gegen die von ihm unterstützten Staaten nicht näher zu erforschen.
Dann schließt er sich auf konventionelle Weise denen an, die »Argumente und Entschuldigungen für den Terrorismus« vortragen, wobei er den politischen Mord stillschweigend billigt, genauer, den politischen Mord von Israelis an Palästinensern, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtigt werden, ohne daß Beweise vorgelegt oder für notwendig befunden werden und in vielen Fällen der Verdacht selbst unbegründet erscheint. Auch die un-vermeidlichen »Kollateralschäden« - Frauen, Kinder, Nachbarn - werden in gewohnter Manier abgehakt. Von 54 Noam Chomsky
den USA zur Verfügung gestellte Angriffshubschrauber werden seit zehn Monaten für solche Morde benutzt.
Walzer setzt den Ausdruck »politischer Mord« in An-führungszeichen, weil er seiner Meinung nach in den Rahmen der »von Leidenschaft getrübten und höchst verzerrten Berichte über die Blockade des Irak und den Konflikt zwischen Israel und Palästina« gehört. Er bezieht sich dabei auf kritische Äußerungen über die von den USA gedeckten isralischen Greueltaten in den Gebieten, die seit 35 Jahren unter einer brutalen Besatzung zu leiden haben, sowie auf Kritik an der Politik gegenüber dem Iran, die Saddam Hussein stärkte, aber die irakische Zivilgesellschaft zerstörte. Derlei Kritik ist in den USA nicht gerade sehr verbreitet, aber für Walzer offenbar schon zu viel. Mit den »verzerrten Berichten« meint er vielleicht gelegentliche Hinweise auf die Äußerung der damaligen Außenministerin, Madeleine Albright, die im öffentlichen Fernsehen gefragt wurde, was sie von Schätzungen halte, denen zufolge aufgrund der amerikanischen Sankti-onspolitik eine halbe Million Kinder im Irak sterben müßten. Das sei zwar hart, meinte sie, »aber wir glauben, es ist den
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