The Bards Tale 01 - Die Burg der Verräter
für sich allein, und nachdem er sich angekleidet und gegessen hatte, war er auch wieder Herr seiner Gefühle.
Schließlich hatte er seine Zeit mit der Nichte des Grafen Volmar verbracht, und zwar ohne daß sie auf ihn herabgesehen hätte. Nichts, was diese dummen Jungen, diese … armseligen Diener taten, war wert, von ihm beachtet zu werden!
Jedenfalls dachte Kevin, daß er das alles glaubte.
Entschlossen, das verschwundene Manuskript endlich zu finden und es zu kopieren, machte er sich auf den Weg zur Bibliothek. »Wohin geht Ihr so eilig?« rief ihn eine liebliche Stimme an.
Warum hatte er plötzlich ein schlechtes Gewissen?
»Charina, ich …«
»Heute ist das Wetter warm und schön! Und ich habe eine großartige Idee für ein Picknick. Nur wir zwei.«
Oh, wie sollte er diesen wundervollen blauen Augen nur widerstehen? Grimmig rief sich Kevin seinen Traum und die vernachlässigten Pflichten in Erinnerung. »Es tut mir leid, Charina«, erwiderte er mit echtem Bedauern.
»Ich kann nicht. Ich würde liebend gerne mit Euch ausreiten oder ein Picknick machen oder irgend etwas anderes unternehmen, wirklich. Aber, nun, ich habe eine Aufgabe zu erledigen, und ich sollte sie lieber erfüllen.«
Charina starrte ihn an, als hätte er ihr etwas Obszönes erzählt. »Ihr weist mich ab?« erwiderte sie atemlos.
»Bitte! Ich wollte nicht …«
»O doch, das wolltet Ihr! Nein, nein, widersprecht nicht. Ich verstehe vollkommen. Ihr langweilt Euch in meiner Gegenwart.«
»Nein!«
»O doch.« Sie warf den Kopf in den Nacken. »Wenn Ihr nicht mit mir kommen wollt, müßt Ihr das nicht. Ich komme sehr gut ohne Euch aus, Ihr … Ihr Jüngelchen !«
Mit diesen Worten stürzte Charina verärgert davon und ließ den verlorenen und unglücklichen Kevin einfach stehen.
DAS ZWEITE ZWISCHENSPIEL
Graf Volmar schaute überrascht auf, als Carlotta in sein Privatgemach stürmte, die Persönlichkeit von Charina wie einen Umhang abstreifte, und sich mit wild blickenden Augen und knisternden roten Haaren auf einen Stuhl warf.
»Ich kann dieses einfältig grinsende, närrische Mädchen nicht länger ertragen!« wütete sie.
Sie wirkte so unmenschlich in ihrem zauberischen Zorn, daß Volmar erschauerte. »Ich kann wahrlich nicht behaupten, Euch da einen Vorwurf machen zu wollen«, sagte er beruhigend und sah, wie die Wut eine Nuance nachließ. »Ich mochte kleine Mädchen noch nie. Nur süß und niedlich – bah.« Er ging zu einem kleinen Tisch an der Wand, auf dem Karaffen mit Wein standen. Ohne zu fragen, füllte Volmar einen Pokal und reichte ihn der Zauberin. Als Carlotta daran nippte, setzte er sich ihr gegenüber. »Müßt Ihr denn immer noch ihre Rolle spielen?«
Der Ärger der Prinzessin flammte plötzlich neu auf, und sie warf dem Grafen über den Rand des Pokals einen scharfen Blick zu, während ihr Hexenhaar heftig knisterte. »Ich weiß es nicht! « fuhr sie hoch. »Ich habe das Gefühl, als wüßte ich gar nichts mehr!«
Behutsam, so als schliche er auf Zehenspitzen um den Rand einer feurigen Grube herum, fragte Volmar: »Ich nehme an, Ihr habt das Manuskript nicht finden können?«
»Verflucht soll es sein, nein! Du ja wohl auch nicht.«
»Offensichtlich nicht.« Trotz seines Ehrgeizes würde Volmar sich hüten, etwas so Leichtsinniges zu versuchen, wie ein vermutlich magisches Kunstwerk vor einer Zauberin zu verstecken. Vor allem nicht vor einer, die gerade vor Wut und Enttäuschung zu lodern schien.
»Seid Ihr sicher, daß der Junge es nicht vorsätzlich irgendwo in der Bibliothek verbirgt?«
Carlotta schüttelte den Kopf. »Er hat es vielleicht zuerst versucht, aber als ich in der Gestalt Charinas eintrat, suchte er eindeutig beinah panisch nach dem Ding. Nein
…« fügte sie nachdenklich hinzu. »Er hat mit dem Verschwinden nichts zu tun. Ich bin so gut wie sicher, daß dieses Manuskript von einem Zauber umgeben ist.«
»Ein Zauber! Ich dachte, Ihr könntet solche Dinge aufspüren!«
»Oh, es muß ein sehr subtiler Zauber sein, wenn selbst meine Hexereien ihn nicht aufgespürt haben. Und da das Manuskript die Eigenschaft besitzt, sich absichtlich selbst zu verbergen, sogar vor mir, muß es sogar ein sehr mächtiger Zauber sein.«
Volmar unterdrückte ein erneutes Erschauern. Es war zwar schon schlimm genug, eine Hexe als Bundesgenossin zu haben, doch wenigstens kannte er nach all den Jahren Carlotta und die Gefahren des Umgangs mit ihr. Zumindest hoffte er das. Aber der Gedanke, daß nun auch noch
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