The Bards Tale 02 - Festung aus Feuer und Eis
wenigstens einen Nachmittag auszuruhen.«
»Schlaf«, drängte Naitachal sie sanft. »Oder wenigstens Ruhe. Sie müssen essen, ein Glas Wein trinken, ein bißchen Zeit vor dem Spiegel verbringen, sich frische Kleidung anziehen und sich frisieren. Die jungen Männer werden diese Mühe doch sicher auch zu schätzen wissen, nicht wahr?«
»Wenn sie jemals wieder an einen Ort gelangen, an dem sie die Zwillinge sehen können«, warf Gawaine zweifelnd ein.
»Oh, sie werden den Unterschied auch in der Stimme der Zwillinge wahrnehmen. Außerdem denke ich«, sagte Naitachal freundlich, »daß Euch auch ein wenig Pflege guttäte, teure Lyrana. Es mißfiele meinem Schüler sicherlich, wenn Euch etwas Unangenehmes zustieße. Zum Beispiel, als Futter für einen Schneedrachen zu enden …«
»Ja«, unterbrach Lyrana ihn rasch. »Ich verstehe, was Ihr meint, Sire Barde.«
»Gut. Vergeßt es bitte nicht, sobald Ihr mich verlassen habt. Doch sagt …« Er schüttelte sich. »Habt Ihr Euch noch mehr Verse für diese elende Lied ausgedacht?«
Gawaine schob eine Papierrolle durch das Gitter. »Wir haben gestern nacht noch einige Verse gedichtet.« Naitachal rollte das Pergament auf und las die ersten Zeilen.
Er lachte leise, schüttelte den Kopf, las weiter und lachte noch mehr.
»Ist er des Stücks denn immer noch nicht müde?«
Gawaine klang ziemlich verwundert.
Der Barde schnaubte verächtlich. »Ist dir klar, daß
›Der Schäfer, die Schäferin und Lord Emerald‹ mittlerweile beinahe doppelt so viele Verse hat wie ›Beatrice und Manticorn‹?«
»Großer Lord und alle Mächte«, antwortete Gawaine fromm.
»Aber ein Gutes hat die Sache: Der Drache ist so sehr unter Eurem Bann, daß er sich nicht langweilt und Euch fortschickt. Und er hat Euch auch nicht mehr mit einem Zauberspruch zum Schweigen gebracht, nicht wahr?«
»Nein. Obwohl ich fast wünschte, er täte es«, sagte Naitachal grimmig. »Ich weiß, ich weiß, es würde uns nicht weiterbringen. Die Zeit wird knapp, mein Schüler.
Such dir einen Gott, zu dem du betest. Vielleicht nicht gerade den von Arturis.«
»Ich … ja sicher. Wißt Ihr, ich glaube, Fenix könnte uns helfen. Ihr wißt schon, die Mäuse und die Hänflinge
… und all das. Vielleicht kann sie noch mehr tun. Vielleicht …«
»Sprich mit ihr, wenn es dir gelingt, Gawaine. Obwohl ich fürchte, daß es wenig Sinn macht. Der Drache hat ihre Macht mit einem Zauber neutralisiert. Und die einzige Möglichkeit, einen solchen Zauber zu brechen, ist
…« Er wartete und Gawaine seufzte. »… den Drachen zu töten«, schlossen sie im Chor.
»Ich rede trotzdem mit ihr, Meister.«
»Tu das. Ich muß mich fertig machen. Voyvodan schickt gewöhnlich um diese Stunde nach mir. Bring diese junge Frau zurück in ihren Hof, und sorge dafür, daß sie etwas zu essen bekommt. Es ist zwecklos, sie so abmagern zu lassen, daß sie durch diese Stäbe paßt, nicht wahr?«
»Das ist richtig«, stimmte Lyrana zu, bevor Gawaine etwas sagen konnte. »Wir kommen später wieder.«
»Ja.« Naitachal richtete seinen Blick wieder auf das Papier. »Ihr wißt ja, wo ich bin.« Als sie gingen, hörten sie noch, wie er über einen ihrer Verse lachte.
Kaum jedoch waren ihre Schritte verklungen, drehte Naitachal sich von dem Gitter weg und warf die Rolle auf den Tisch. Seine Miene verfinsterte sich. »Es gibt Zaubersprüche«, flüsterte er, »Zaubersprüche, die Krankheiten bringen, von denen jede einzelne Voyvodan töten würde. Oder solche, die jedem Feind eine tödliche Bedrohung in den Weg legen. Vielleicht lenkt ja eine solche Bedrohung den Schneedrachen lange genug ab, daß ich Fenix befreien kann. Ich wüßte auf Anhieb fünf Sprüche, die den Drachen töten und Fenix befreien würden. Und uns.«
Sicher, o ja. Mißmutig aß er seine mittlerweile kalte Suppe. Dazu müßte ich einfach nur jemand anderen töten. Einen, den er kannte. Und wen soll ich auswählen?
Gawaine? Seine Geliebte? Eines der armen Mädchen, die Cedric und Raven folgen und sich um die beiden sorgen? Wulfgar? Oder Tem-Telek, der ja ›nur‹ ein Echsenmann ist?
Genausogut könnte er sich entscheiden, Arturis wiederherzustellen und ihn zu benutzen. Es war nicht einfach ›nur‹ der Echsenmann, dessen Humor dem seinen so glich. Oder ›nur‹ Wulfgar, der so gerissen und ein wesentlich erfreulicherer Gesellschafter war als Raven und der auf seine Weise genauso fähig war wie Cedric. Naitachal stöhnte und ließ den Kopf zwischen die Hände sinken.
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