The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
Lichter huschten vorbei. Immer noch hörte ich Kampfgeräusche in der Nähe, aber jetzt nur noch im Æther, nicht mehr auf der Straße.
So viel also zum Thema Traumwandler.
Mir blieb nicht viel Zeit. Vielleicht würden sie wieder auf mich schießen. Ich schleppte mich hinter die Säule, sodass ich den U-B ahn-Eingang nicht mehr sehen konnte. Die Pendler dort versuchten herauszufinden, woher der Lärm kam. Kraftlos lehnte ich mich gegen die Wand. Aus der kleinen Wunde floss stoßweise das Blut heraus. Mit zitternden Händen drückte ich darauf. Meine Lippen kämpften gegen den Klebstoff an.
Ich würde Seven Dials nicht erreichen. Selbst wenn ich es bis in eine Bahn schaffte, würden sie mich an der nächsten Haltestelle verhaften. Das Blut an meinen Händen war nicht zu übersehen.
Wenigstens war ich nicht in Sheol I gestorben. Das hätte ich nun wirklich nicht ertragen. Hier konnte Nashira mir zumindest nichts anhaben.
Plötzlich spürte ich jemanden neben mir, und ich wurde am Arm gepackt. Ich kannte diesen Geruch – Kampfer.
Nick.
Er erkannte mich nicht, wie auch. Mit dem Taschenmesser schob er mein Kinn hoch und setzte die Klinge an meine Kehle. »Du verdammte Verräterin.«
Nick. Die Wunde brannte. Mein Ärmel war inzwischen nass von meinem Blut.
»Zeig mir dein Gesicht«, forderte Nick. Er klang jetzt ruhiger, irgendwie bedauernd. »Was auch immer du bist, ein Seher bist du auf jeden Fall. Ein Springer. Vielleicht denkst du daran, wenn du das letzte Licht auf dich zukommen siehst.«
Er zog die Maske von meinem Gesicht. Als er mich erkannte, schien etwas in ihm zu zerbrechen. »Paige«, stieß er erstickt hervor. »Paige, oh, nein, förl å t mig … « Er presste die Hände auf meinen Brustkorb, um die Blutung zu stoppen. »Es tut mir leid, es tut mir so leid, ich dachte … Jaxon wollte … « Natürlich. Jaxon wollte den Traumwandler. Nick hatte auf mich geschossen, nicht Scion. »Was haben sie dir nur angetan?«, fragte er mit zitternder Stimme. Es brach mir das Herz, ihn so verzweifelt zu sehen. »Du kommst wieder in Ordnung, versprochen. Sieh mich an, Paige. Sieh mich an!«
Es wurde immer schwieriger, mich zu konzentrieren. Meine Lider waren so schwer. Ich strich mit den Fingern über sein Hemd. Er legte meinen Kopf schützend an seine Brust. »Schon okay, Süße. Wo haben sie dich hingebracht?«
Ich schüttelte den Kopf. Nick strich mir das verschwitzte Haar aus der Stirn. Das war schön. Ich wollte hierbleiben. Ich wollte nicht, dass sie mich an diesen Ort zurückbrachten.
»Paige, wag es ja nicht, die Augen zuzumachen. Erzähl mir, wo diese Schweine dich hingebracht haben.«
Wieder schüttelte ich den Kopf. Wie sollte ich es ihm denn sagen, ohne meine Stimme?
»Komm schon, sötnos . Du musst es mir sagen. Damit ich dich wiederfinden kann, wie beim letzten Mal. Erinnerst du dich noch?«
Ja, ich musste es ihm sagen. Er musste es erfahren. Ich konnte doch nicht sterben, ohne ihm zu verraten, wo ich gewesen war. Ich musste die anderen retten, die anderen Seher in der verlorenen Stadt. Aber nun sah ich plötzlich eine Silhouette hinter ihm, den Umriss eines Mannes. Nein, nicht eines Mannes.
Eines Rephait.
An meinen Fingern klebte so viel Blut. Ich streckte mich Richtung Wand und malte die ersten drei Buchstaben auf. Nick las sie.
»Oxford«, folgerte er. »Sie haben dich nach Oxford gebracht?«
Kraftlos ließ ich die Hand sinken. Der gesichtslose Mann schwebte durch die Dunkelheit. Nick hob den Kopf.
»Nein.« Die Muskeln in seinen Armen spannten sich an. »Ich bringe dich jetzt nach Hause«, verkündete er und wollte mich hochheben. »Ich werde nicht zulassen, dass sie dich dorthin zurückbringen.«
Mit einer Hand holte er eine Pistole aus seiner Jacke. Ich legte einen Arm um seinen Hals. Nichts wäre mir lieber gewesen, als wenn er einen Fluchtversuch gewagt und mich wieder aus einem Blumenfeld gerettet hätte – aber wenn ich das zuließ, würde er sterben. Wir würden beide sterben. Der Schatten würde uns bis nach Seven Dials verfolgen. Also zupfte ich an seinem Hemd und schüttelte abwehrend den Kopf. Er begriff es nicht. Der Schatten versperrte uns den Weg. Nick packte die Waffe so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Dann drückte er ab, zweimal. Ich schrie hinter versiegelten Lippen. Lauf weg, Nick! Er konnte mich nicht hören. Er konnte es nicht wissen. Die Waffe glitt aus seiner Hand, und er wurde leichenblass. Eine riesige, in Leder gekleidete Hand legte sich um
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