The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
Leben. Die Emim waren in die Stadt eingedrungen, genau wie während der XVIII . Knochenernte. »Wie lange haben wir noch?«, rief ich Nick zu.
»Nicht mehr lange.« Er zerrte mich hinter sich her. »Was für ein Ding war das? Was hat Scion mit dieser Stadt angestellt?«
»Eine Menge.«
Wir nahmen eine der vielen Seitenstraßen, die in die Geisterstadt hinausführten. Plötzlich stürmte uns aus der entgegengesetzten Richtung jemand entgegen. Nick und ich reagierten gleichzeitig: Nick stellte dem Jungen ein Bein, sodass er kopfüber auf dem Pflaster landete, und ich drückte ihm die Kehle zu.
»Wo willst du denn hin, Carl?«
»Lass mich!« Er war schweißgebadet. »Sie kommen. Die haben sie in die Stadt gelassen.«
»Wen?«
»Die Summer. Die Summer!« Fast schon heulend stemmte er sich gegen meinen Brustkorb. »Du musstest es ja ruinieren, wie? Musstest versuchen, alles auf den Kopf zu stellen! Das hier ist alles, was ich habe, das wirst du mir nicht wegnehmen … «
»Da draußen gibt es eine ganze Welt für dich. Hast du das schon vergessen?«
»Eine ganze Welt? Ich bin ein Freak! Wir sind alle Freaks, 40! Freaks, die mit toten Menschen sprechen. Deshalb brauchen wir sie !« Er streckte einen Finger in Richtung Stadtzentrum. »Kapierst du das nicht? Das hier ist der einzige Ort, an dem wir sicher sind. Bald werden sie anfangen, uns abzuschlachten, uns zu überfallen … «
»Wer?«
»Die Amaurotiker. Wenn sie es erst begriffen haben. Wenn sie erkennen, was die Rephaim wollen. Ich werde nie wieder da raus gehen. Du kannst deine tolle Welt behalten. Viel Spaß damit!«
Ich gab seinen Hals frei. Hastig rappelte er sich auf und floh. Nick blickte ihm hinterher.
»Du wirst eine lange Geschichte zu erzählen haben, wenn wir erst zu Hause sind.«
Ich beobachtete, wie Carl hinter der nächsten Ecke verschwand. Bis Port Meadow war es nur noch weniger als eine Meile, aber ich rechnete nicht damit, dass wir kampflos dorthin gelangen würden. Irgendwo da draußen trieb sich Nashira herum, außerdem war es gut möglich, dass nicht alle Knochensammler Ducketts Mittelchen geschluckt hatten. Deshalb hielten wir uns immer am Straßenrand, während wir uns einen Weg durch die Geisterstadt suchten.
Irgendwo in der Ferne explodierte etwas, aber Nick blieb nicht stehen. Die Fensterscheiben der Gebäude klirrten leise. Ich konnte nicht mehr klar denken. Versuchten die Leute jetzt schon, über das Minenfeld zu fliehen? Sie mussten völlig in Panik geraten sein, kopflos nach dem Leuchtsignal suchen und dabei durch den Wald rennen, nur um wegzukommen. Ich musste ihnen so schnell wie möglich zeigen, wo sie sicher waren. Immer weiter rannten wir durch die verdammten Straßen, bis wir endlich den Pfad erreichten, der nach Port Meadow führte. Nun konnte ich auch den Zaun und das Schild sehen. Davor hatten sich ein paar Seher und Amaurotiker versammelt. Offenbar hatten sie geglaubt, auf diesem Weg aus der Stadt zu kommen.
Und der Wächter. Er war tatsächlich hier. Er war verdreckt und rußverschmiert, aber er lebte. Sobald er mich sah, zog er mich in seine Arme. »Wo zum Teufel bist zu hinverschwunden?«, platzte es aus mir heraus
»Verzeih mir, ich wurde abgelenkt.« Sein Blick wanderte zurück zur Stadt. »Ihr habt also nicht den Sprengkörper unter der Bühne versteckt?«
»Nein.« Keuchend beugte ich mich vor, stützte mich auf meine Knie und rang nach Luft. »Es sei denn … «
»Es sei denn was?«
»12. Das Orakel, eine Rotjacke. Er sagte etwas von einem Alternativplan.«
»Wir sollten uns erst mal darauf konzentrieren, wie wir hier rauskommen.« Nick warf dem Wächter einen flüchtigen Blick zu, wandte sich dann aber wieder an mich: »Wo ist der Eingang zum Tunnel? Als wir angekommen sind, war es noch hell.« Inzwischen herrschte auf dem Gelände eine solche Finsternis, dass man sich unmöglich zurechtfinden konnte.
»Nicht weit von hier«, antwortete der Wächter.
»Gut.« Nick warf einen Blick auf seine Uraltarmbanduhr. Dann wischte er sich mit zitternden Fingern den Schweiß von der Oberlippe. »Hat der Fesselmeister es geschafft?«
»Du kannst ruhig seinen richtigen Namen benutzen, Nick.« Auch mir lief jetzt der Schweiß den Nacken runter. »Er weiß es.«
»Mr Hall und drei Ihrer Begleiter warten bereits auf dem Gelände auf Sie«, erklärte der Wächter. Noch immer starrte er Richtung Stadt. »Ich würde vorschlagen, dass du nun eine dieser Leuchtpistolen zum Einsatz bringst, Paige. Noch reicht die
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