The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
Seine dicken Finger zitterten. »Dafür gebe ich dir jede Ware aus diesem Laden, was immer du willst. Kostenlos.«
Verwirrt runzelte ich die Stirn. »Du willst sie haben?«
»Oh, ja. Das ist überaus wertvoll.« Vorsichtig legte er das Tablettenstück auf seiner Handfläche ab. »Wo hast du das her?«
»Informationen haben ihren Preis, Mr Duckett.«
»Wenn du mir noch mehr davon bringst, kriegst du alles von mir, völlig kostenlos. Einen Gegenstand pro Pille.«
»Sag mir, was das ist, oder es gibt keinen Deal.«
»Zwei Gegenstände.«
»Nein.«
»Wissen ist gefährlich, da kann man kein Preisschild dranheften.« Er hielt die Tablette näher ans Licht. »So viel kann ich dir sagen: Es ist ein Kräutermittel, und es ist harmlos. Reicht das?«
Zwei Waren für die Pillen. Waren, die in der Hüttensiedlung Leben retten konnten.
»Drei«, forderte ich. »Dann sind wir im Geschäft.«
»Wunderbar. Du bist eine verdammt gewiefte Geschäftsfrau.« Er ließ die Pille verschwinden, legte die Finger aneinander und musterte mich prüfend. »Und was bist du noch?«
»Akutomant.«
Das war meine übliche Antwort – Lüge und in gewisser Weise Testfrage, um zu sehen, ob mein Gegenüber es glaubte. Duckett lachte leise. »Du bist keine Wahrsagerin. Hätte ich die Zweitsicht, würde ich behaupten, du befindest dich irgendwo am anderen Ende des Spektrums. Deine Aura glüht wie ein Kohlehaufen.« Er tippte gegen einen der Spiegel. »Die Saison könnte dieses Jahr wieder interessant werden.«
Sofort wurde ich misstrauisch. »Was?«
»Ach, nichts. Ich rede manchmal mit mir selbst, das ist der beste Weg, um im Laufe von vierzig Jahren nicht wahnsinnig zu werden.« Ein verstohlenes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Sag mir, was hältst du von dem Wächter?«
Ich legte die Zunderbox zurück auf den Tisch.
»Ich dachte, das wäre offensichtlich.«
»Ganz und gar nicht. Über ihn gibt es die verschiedensten Meinungen.« Duckett rieb mit dem Daumen über sein Monokel. »Viele halten den Blutsgefährten für den Attraktivsten unter den Rephaim.«
»Ihr vielleicht. Ich finde ihn widerlich.« Mit einem durchdringenden Blick fügte ich hinzu: »Ich nehme mir dann jetzt meine Sachen.«
Der Pfandleiher lehnte sich im Sessel zurück, während ich eine der Trockenspiritusdosen, ein paar Aspirin und die Augensalbe zusammensuchte. »Es war nett, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Miss … ?«
»Mahoney, Paige Mahoney.« Ich wandte mich ab. »Falls du lieber richtige Namen verwendest.«
Damit verließ ich den Laden. Sein Blick brannte sich förmlich in meinen Rücken.
Diese Fragerei war fast einem Verhör gleichgekommen. Aber ich war mir sicher, nichts Falsches gesagt zu haben – ich hatte ihm genau mitgeteilt, was ich von dem Wächter hielt. Warum Duckett darauf abgezielt hatte, dass ich etwas anderes behaupten sollte, war mir schleierhaft.
Auf dem Weg nach draußen warf ich dem Gaukler die Salbe zu. Fragend sah er mich an.
»Für dein Auge«, erklärte ich.
Er blinzelte nur erstaunt, während ich bereits weiterging.
Als ich die richtige Hütte gefunden hatte, klopfte ich gegen die Wand. »Liss?« Keine Antwort. Wieder klopfte ich. »Ich bin’s, Liss. Paige.«
Der Vorhang wurde zurückgezogen. Liss hielt eine kleine Laterne in der Hand. »Lass mich in Ruhe«, forderte sie mit belegter Stimme. Dann fügte sie verbittert hinzu: »Bitte. Ich rede nicht mit Rosa- oder Rotjacken, schon aus Prinzip nicht. Tut mir leid. Du musst dir andere Jackenträger suchen, alles klar?«
»Ich habe Seb nicht getötet.« Schnell streckte ich ihr den Trockenspiritus und die Aspirin entgegen. »Schau mal, die habe ich von Duckett. Können wir einfach nur reden?«
Ihr Blick wanderte zwischen den Sachen und meinem Gesicht hin und her. Schließlich runzelte sie die Stirn und zog einen Schmollmund. »Also gut, dann komm besser rein.«
*
Ich weinte nicht, als ich ihr von der Prüfung erzählte. Ich konnte einfach nicht. Jax hatte Tränen verabscheut. (»Du bist eine skrupellose Straßengöre, Süße. Also sei ein braves Mädchen und benimm dich auch so.« ) Selbst hier, wo er mich niemals finden würde, hatte ich das Gefühl, als würde er jeden meiner Schritte beobachten. Trotzdem wurde mir beim Gedanken an Sebs gebrochenes Genick ganz anders. Ich konnte einfach nicht vergessen, wie entsetzt er mich angesehen und meinen Namen gerufen hatte. Als ich fertig erzählt hatte, blieb ich schweigend sitzen, das steife Bein vor mir ausgestreckt.
Liss
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