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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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das?«
    »Natürlich nicht. Ich will nach Hause. Was auch immer das bedeutet.« Liss wandte ihr Gesicht ab. »Ich weiß, was ihr von mir denken müsst. Ihr glaubt, ich hätte kein Rückgrat.«
    »Liss, wir wollten nicht … «
    »Doch, wolltet ihr. Ich mache euch keinen Vorwurf. Aber eines lasst euch gesagt sein, wenn ihr so heiß auf dieses Wissen seid: Während der XVIII . Knochenernte, im Jahr 2039 , gab es hier einen Aufstand. Fast die gesamte menschliche Bevölkerung von Sheol I hat sich gegen die Rephs erhoben.« Der Schmerz in ihrem Blick ließ sie um Jahre älter aussehen. »Sie sind alle umgekommen – Amaurotiker, Seher, einfach alle. Ohne Rotjacken, die sie abgewehrt hätten, sind die Emim eingedrungen und haben alle umgebracht. Und die Rephs haben es einfach geschehen lassen.«
    Ich sah zu Julian hinüber, aber der war ganz auf Liss konzentriert.
    »Sie meinten, sie hätten es verdient, wegen ihres Ungehorsams. Das war das Erste, was sie uns nach unserer Ankunft gesagt haben.« Sie ließ ihre Karten durch die Finger gleiten. »Ich weiß, dass ihre beide Kämpfernaturen seid, aber ich will nicht mit ansehen müssen, wie ihr hier drin sterbt. Nicht so.«
    Diese Worte machten mich sprachlos. Julian rieb sich mit einer Hand über den Schädel und starrte in die Flamme.
    Das Thema Rebellion war damit erledigt. Wir aßen die Bohnen und kratzten die Dosen gründlich aus. Liss behielt die Karten auf dem Schoß. Irgendwann räusperte sich Julian und fragte: »Wo hast du früher gewohnt, Liss? Vor dem hier.«
    »Cradlehall, das ist bei Inverness.«
    »Wie ist Scion da so?«
    »Eigentlich genau wie hier. Die größeren Städte funktionieren alle nach demselben System, sie haben nur weniger Sicherheitskräfte als London. Aber sie unterliegen auch der Rechtsprechung der Inquisition, genau wie die Zitadelle.«
    »Warum bist du in den Süden gegangen?«, wollte ich wissen. »In den Highlands war es doch bestimmt sicherer für Seher.«
    »Warum kommen die Leute nach SciLo? Arbeit, Geld. Wir müssen schließlich genauso essen wie die Amaurotiker.« Liss legte sich eine Decke um die Schultern. »Meine Eltern hatten Angst davor, in Inverness zu wohnen. Dort sind die Seher nicht organisiert, nicht so wie im Syndikat. Dad dachte, wir sollten unser Glück lieber in der Zitadelle versuchen. Wir haben unsere gesamten Ersparnisse aufgebraucht, um nach London zu kommen. Dort haben wir uns bei einigen Denkerfürsten vorgestellt, aber keiner von ihnen brauchte Wahrsager. Als uns das Geld ausging, mussten wir unter die Straßenkünstler gehen, um uns eine Unterkunft leisten zu können.«
    »Und du wurdest erwischt.«
    »Dad wurde so krank, dass er nicht mehr aufstehen konnte. Er war schon über sechzig und hat sich auf der Straße alles Mögliche eingefangen. Da habe ich seinen üblichen Platz übernommen. Eines Tages kam eine Frau und wollte, dass ich ihr die Karten lege.« Sie strich mit dem Finger über ihr Handwerkszeug. »Ich war damals neun. Mir war nicht klar, dass sie von der NVD war.«
    Julian schüttelte seinen Kopf. »Wie lange warst du im Tower?«
    »Vier Jahre. Ein paarmal haben sie es mit Waterboarding probiert, sie wollten mich dazu bringen, dass ich ihnen verrate, wo meine Eltern sind. Ich habe immer gesagt, ich wüsste es nicht.«
    So sorgten wir bestimmt nicht dafür, dass sie sich besser fühlte. »Was ist mit dir, Julian?«, fragte ich deshalb.
    »Morden, IV -6.«
    »Das ist der kleinste Sektor, stimmt’s?«
    »Ja, deshalb gibt sich das Syndikat gar nicht damit ab. Ich hatte eine kleine Bande, aber wir haben keine Denkdelikte begangen, nur ab und zu mal eine Séance probiert.«
    Plötzlich spürte ich ein nagendes Verlustgefühl in mir. Ich wollte meine Bande wiederhaben.
    Bald war Julian wieder erschöpft und schlief ein. Die Paste in der Dose wurde weniger und weniger. Liss sah zu, wie sie herunterbrannte. Ich tat so, als würde ich schlafen, musste aber die ganze Zeit an die Rebellion während der XVIII . Knochenernte denken. Wie viele Menschen dabei wohl gestorben waren? Und ihre Familien hatten nie etwas erfahren. Es hatte kein Verfahren gegeben, keine Anklagen. Diese Ungerechtigkeit machte mich ganz krank. Kein Wunder, dass Liss solche Angst davor hatte, sich zur Wehr zu setzen.
    Da ertönte die Sirene. Julian schreckte aus dem Schlaf auf. Scheppernd und quietschend steigerte sich der Lärm, bis er zu einem schrillen Kreischen wurde. Mein Körper reagierte prompt, meine Beine begannen zu kribbeln und mein

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