The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
einen Mann mit braunen Haaren. Seine Kelche wurden ausgeschüttet.«
»Mein Vater«, erklärte ich.
»Ja. Du stehst hinter ihm, sprichst mit ihm. Er antwortet nicht. Er starrt auf ein Bild.« Ohne die Augen zu öffnen, drehte Liss die nächste Karte um. Sie stand auf dem Kopf. »Das ist die Gegenwart«, fuhr sie fort. »König der Stäbe, umgedreht.« Ihre roten Lippen zogen sich zusammen. »Er kontrolliert dich. Selbst jetzt kannst du dich seinem Griff nicht entziehen.«
»Der Wächter?«
»Das glaube ich nicht. Und trotzdem ist er mächtig. Seine Erwartungen an dich sind zu hoch. Du fürchtest dich vor ihm.«
Jaxon.
»Als Nächstes die Zukunft.« Liss griff nach der Karte und sog scharf die Luft ein. »Der Teufel. Diese Karte repräsentiert Hoffnungslosigkeit, Einschränkung, Angst – aber du hast ihr selbst nachgegeben. Außerdem steht der Teufel für eine schattenhafte Gestalt, doch ich kann ihr Gesicht nicht erkennen. Wie auch immer diese Person dich beherrschen wird, du wirst dazu in der Lage sein, ihr zu entkommen. Sie wird dich glauben lassen, dass du für immer an sie gekettet bist, aber das stimmt nicht. Du wirst nur denken, dass es so ist.«
»Sprichst du von einem Partner, einem Freund?« Kälte breitete sich in mir aus. »Oder ist das jetzt der Wächter?«
»Könnte sein. Ich weiß es nicht.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Mach dir keine Sorgen. Die nächste Karte wird dir sagen, was du tun musst, wenn die Zeit reif ist.«
Ich starrte auf die vierte Karte.
»Die Liebenden?«
»Ja.« Ihre Stimme war jetzt völlig ausdruckslos. »Ich sehe nicht viel. Zwischen Geist und Körper besteht eine Spannung. Zu viel.« Langsam näherten sich ihre Finger der nächsten Karte. »Äußere Einflüsse.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich noch mehr davon ertragen konnte. Bisher war nur eine Sache positiv gewesen, und selbst das würde schmerzhaft werden. Mit den Liebenden hätte ich ganz sicher nicht gerechnet.
»Tod, umgedreht. Für Seher ist der Tod eine ganz normale Karte. Normalerweise taucht sie in den Positionen für Vergangenheit oder Gegenwart auf. Aber hier, umgedreht … ich bin nicht sicher.« Ihre Augen bewegten sich unter den geschlossenen Lidern. »So weit voraus trübt sich mein Blick. Die Dinge sind sehr vage. Ich weiß, dass deine Welt sich ändern wird, und du wirst alles in deiner Macht Stehende tun, um dich dagegen zu wehren. Der Tod selbst wird in verschiedenen Formen wirken. Indem du die Veränderungen hinauszögerst, wirst du dein eigenes Leiden verlängern. Die sechste Karte, deine Hoffnungen und Ängste.« Sie nahm sie und strich mit dem Daumen darüber. »Die Acht der Schwerter.«
Auf der Karte war eine Frau abgebildet, die gefesselt zwischen in der Erde steckenden Schwertern stand. Ihre Augen waren verbunden. Auf Liss’ Haut glänzte plötzlich Schweiß. »Ich sehe dich. Du fürchtest dich«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Ich kann dein Gesicht sehen. Du bist nicht in der Lage, dich zu bewegen. Entweder verharrst du gefangen an einem Ort oder du spürst den Schmerz durch die Schwerter.«
Sicher war das hier das negativste Blatt, das sie je gedeutet hatte. Ich ertrug es nicht, mir die letzte Karte anzusehen.
»Und schließlich das Resultat.« Liss griff nach der siebten Karte. »Das Fazit aus allen anderen.«
Ich schloss die Augen. Zitternde Spannung ging durch den Æther.
Doch ich bekam die Karte nie zu sehen. Drei Menschen stürmten in die Hütte, sodass Liss erschrocken zusammenfuhr. Die Knochensammler hatten mich gefunden.
»Sieh mal einer an! Anscheinend haben wir die Flüchtige aufgespürt. Und ihre Gehilfin.« Einer von ihnen packte Liss am Handgelenk und riss sie in die Höhe. »Legst du deinem Gast die Karten?«
»Ich wollte nur … «
»Du hast nur auf den Æther zugegriffen. Zu privaten Zwecken.« Eine gehässige, weibliche Stimme. »Du legst die Karten gefälligst nur für deinen Hüter, 1.«
Ich stand auf. »Ihr seid wohl meinetwegen hier.«
Alle drei drehten sich zu mir um. Das Mädchen war etwas älter als ich, hatte lange, ungepflegte Haare und eine runde Stirn. Die beiden Jungs sahen sich so ähnlich, dass sie nur Brüder sein konnten.
»Stimmt. Wir sind deinetwegen hier.« Der größere Kerl stieß Liss von sich. »Kommst du brav mit, 40?«
»Kommt darauf an, wo ihr mich hinbringen wollt«, erwiderte ich.
»Nach Magdalen, du blasses Miststück. Es ist nach Sonnenaufgang.«
»Ich kenne den Weg.«
»Dann eskortieren wir dich. So lauten die
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