The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
zu treten, aber es nützte nichts. Mein Vater stöpselte sämtliche Telefone aus und verbarrikadierte sich in seinem Zimmer. Daraufhin heckten meine Schwestern und ich den Plan aus, einfach mit dem Wagen abzuhauen, aber unser Vater war auf alles vorbereitet und hatte den Autoschlüssel versteckt. Wir machten noch einen halbherzigen Versuch, in sein Arbeitszimmer einzubrechen, aber irgendwann meinten wir, ihn leise schluchzen zu hören, worauf wir ins Fernsehzimmer gingen und uns todunglücklich auf der Couch aneinanderkuschelten.
Als mein Vater dann später reinkam, knickte Missy ein, sagte: »Es tut mir leid, Dad«, und begann zu weinen.
Er machte ein betretenes Gesicht. »Es ist nicht deine Schuld. Ich tue das doch nur, weil ich euch liebe.«
Anschließend beteuerten wir uns alle gegenseitig, in Zukunft zu versuchen, vernünftiger miteinander umzugehen. Aber die ganze Zeit über konnte ich an nichts anderes denken als an Sebastian und wie ich mit ihm in Kontakt treten könnte. Das Wissen, dass er so nah und gleichzeitig so unerreichbar für mich war, fraß an mir wie ätzende Säure.
Später ging ich dann in mein Zimmer hinauf, holte die Schachtel mit meinen alten Geschichten hervor und versuchte, mich zu trösten, indem ich mir eine bessere Zukunft ausmalte, in der ich in New York wohnen, Bücher schreiben und ein völlig anderes Leben haben würde. Ich stellte mir diese Zukunft wie einen Edelstein vor, der tief in meinem Inneren vergraben
liegt, wo niemand ihn mir wegnehmen kann, selbst wenn ich für immer in Bralcatraz eingesperrt bleiben sollte.
Etwas später streckte mein Vater vorsichtig den Kopf in mein Zimmer.
»Ich will doch eigentlich gar nicht so streng mit dir sein«, sagte er.
Ich witterte meine Chance. Jetzt musste ich es nur noch schaffen, ganz ruhig und vernünftig zu bleiben. »Schon okay, Dad.«
»Ich versuche bloß, gerecht zu sein. Wenn ich Missy und dir erlaube auszugehen, muss ich es auch Dorrit erlauben. Und was ist, wenn sie dann noch einmal ausreißt?«
Ich nicke verständnisvoll. »Es ist ja nicht für immer. Nur für ein, zwei Wochen. Bis ich eine angemessene Lösung gefunden habe.«
»Natürlich.«
»Weißt du, Carrie«, er setzt sich zu mir auf die Bettkante, »letzten Endes basiert alles in dieser Welt auf funktionierenden Systemen. Aber genau daran mangelt es in diesem Haus. Wenn wir nur ein System für ein erfolgreiches Miteinander finden könnten … Reduziert man den Menschen auf seine molekulare Struktur, dann bestehen wir alle schließlich aus nichts anderem als aus Molekülen und Elektronen, und Elektronen reagieren innerhalb eines strengen Systems immer gleich und vorhersehbar … Nun ja.« Er erhebt sich, als hätte er soeben eine Lösung für unsere Probleme gefunden. »Jedenfalls wusste ich, dass ich mich auf dich verlassen kann. Ich weiß das sehr zu schätzen, Carrie. Wirklich.«
Er drückte mich unbeholfen an sich und sagte das, was er in solchen Situationen immer sagt: »Ich liebe dich nicht nur – ich mag dich. Vergiss das nicht.«
»Ich mag dich auch, Dad«, sagte ich, nicht ohne Hintergedanken. »Dad? Kann ich kurz telefonieren?« Und bevor er Nein sagen konnte, fügte ich hastig hinzu: »Ich will bloß Mouse schnell anrufen. Wir waren eigentlich verabredet.« Er hatte anscheinend ein ziemlich schlechtes Gewissen, denn er erhob keine Einwände.
Als sich die Lage heute Morgen dann etwas entspannt hatte und mein Vater bereit war, die Telefone wieder einzustöpseln – allerdings nur unter der Bedingung, dass er jeden Anruf persönlich entgegennimmt –, rief Mouse an und redete mit ihm, während ich von einem anderen Apparat aus mithörte.
»Ich weiß schon, dass Carrie eigentlich nicht aus dem Haus darf, aber wir haben die Eintrittskarten schon vor Monaten gekauft, und das Geld dafür bekommt man leider nicht zurückerstattet. Im Hartford Theater wird ein Stück von Oscar Wilde gezeigt, und unser Englischlehrer legt Wert darauf, dass jeder aus seinem Kurs es sich ansieht. Es ist zwar keine Pflichtveranstaltung, aber wenn wir nicht hingehen, könnte sich das auf unsere Endnote auswirken.«
Und jetzt – hallo, süße Freiheit! Den Gremlin vollqualmend, das Radio auf volle Lautstärke gedreht, singen Mouse und ich, was unsere Lungen hergeben, zu den B-52s mit. Ich bin wie berauscht von meiner eigenen Kühnheit und bereit, den Laden zu rocken. In diesem Moment fühle ich mich unbesiegbar.
Aber dieses Gefühl hält nicht lange an. Auf halbem Weg
Weitere Kostenlose Bücher