The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
aufzutauchen.«
Ich starre auf mein Essen. Das Brathähnchen sieht plötzlich aus wie ein riesiges Insekt, der Kartofelbrei wie widerlicher Schleim. Kraftlos schiebe ich den Teller zur Seite. »Mal aus Männerperspektive betrachtet – was glaubst du, warum er es getan hat?«
»Sie ist neu. Und mit jemand Neuem ist es immer erst mal spannender und auch einfacher. Am Anfang jedenfalls.« Walt schweigt einen Moment nachdenklich. »Ich könnte mir vorstellen, dass es gar nichts mit dir persönlich zu tun hat.«
Warum fühlt es sich dann so an?
Die restlichen Unterrichtsstunden verbringe ich wie im Vakuum. Körperlich bin ich zwar anwesend, aber vor meinem geistigen Auge spielt sich in Dauerschleife immer wieder derselbe Film ab: Lalis erschrockenes Gesicht, als ich sie und Sebastian ertappte, und Sebastians fast schon enttäuschte Miene,
als ihm klar wurde, dass ich alles gesehen hatte. Vielleicht hatte er gehofft, noch eine Weile zweigleisig fahren zu können.
»Diese miese kleine Schlampe«, sagt Maggie.
»Du hast sie nie so richtig gemocht, oder?«, frage ich. Ich muss einfach wissen, wer wirklich auf meiner Seite steht und wer nicht.
»Ehrlich gesagt hab ich ihr nie über den Weg getraut, auch wenn ich sie ansonsten ganz nett fand.« Maggie biegt mit zu viel Schwung nach rechts ab und gerät kurzzeitig auf die Gegenfahrbahn. »Aber nach der Aktion mit Sebastian ist sie für mich definitiv gestorben.«
»Und wieso hast du ihr nicht getraut?«
»Keine Ahnung. Irgendwie hatte sie immer so was Arrogantes und Überhebliches an sich. Als würde sie sich für absolut unwiderstehlich halten.«
»Das stimmt«, sage ich bitter. Lalis Worte »Er braucht mich« klingen mir wieder im Ohr. Ich öffne das Handschuhfach, greife nach der Zigarettenschachtel und nehme mir mit zitternden Fingern eine heraus. »Ganz schön gruselig, oder? Wenn sie das nicht gemacht hätte, wären wir jetzt immer noch Freundinnen.«
»Wieso gruselig?«
»Na ja, oder irgendwie beängstigend. Ich meine, da ist man so lange mit jemandem befreundet und glaubt, ihn in- und auswendig zu kennen, und dann entpuppt sich derjenige plötzlich als mieser Verräter. Heißt das jetzt, dass er schon immer so mies war und nur geschickt sein wahres Gesicht verborgen hat, oder war es ein einmaliger Ausrutscher, der einfach passiert ist, weil Menschen nun mal Fehler machen?«
»Warum sie es gemacht hat, ist doch letzten Endes egal. Tatsache
ist, dass Lali dich hintergangen hat«, sagt Maggie sachlich. »Und das bedeutet, dass sie eine miese Freundin ist. Ich bin mir sicher, dass dir das früher oder später sowieso klar geworden wäre.«
Sie drosselt das Tempo, als die Backsteinfassade des Hauses der Kydds in Sicht kommt. Wir fahren langsam daran vorbei. Lalis roter Pick-up parkt hinter Sebastians Corvette in der Einfahrt. Ich krümme mich, als hätte mir jemand einen Hieb in den Magen verpasst.
»Na also«, sagt Maggie. »Kannst du dich jetzt bitte wie ein normaler Mensch verhalten und einfach zugeben, dass du sie hasst?«
Tag zwei:
Wache zitternd und wütend auf. Habe die ganze Nacht davon geträumt, Sebastian ins Gesicht zu schlagen, es aber nie in die Tat umsetzen können, weil mein Arm wie gelähmt war.
Bleibe bis zur allerletzten Minute im Bett liegen. Fühle mich fast noch beschissener als gestern. Wird es jemals aufhören?
Heute sind sie bestimmt in der Schule.
Ich kann nicht zwei Tage hintereinander die Morgenversammlung und den Mathekurs schwänzen.
Als ich an der Schule ankomme, beschließe ich, dass ich erst mal eine Zigarette brauche, bevor ich den beiden gegenübertreten kann.
Anscheinend geht es Sebastian genauso. Er sitzt in der Scheune am Campingtisch. Mit Lali. Und Walt.
»Hallo«, sage ich bemüht lässig.
»Ah, Carrie, gut dass du kommst … «, ruft Walt nervös. »Hast du Zigaretten dabei?«
»Nein«, antworte ich und kneife die Augen zusammen. »Warum? Habt ihr keine?«
Lali hält den Blick gesenkt.
»Doch.« Sebastian reicht mir seine Packung. Ich sehe ihn mit hochgezogener Augenbraue an und nehme mir eine. Er schnippt sein Feuerzeug an und gibt mir Feuer.
»Danke«, sage ich und ziehe den Rauch tief in die Lunge, bevor ich ihn wieder ausblase.
Was soll diese Farce? Warum sind sie nicht sofort abgehauen, als ich gekommen bin? Und dann habe ich einen Moment lang die vage Hofnung, dass sie sich entschuldigen wollen, dass Sebastian sagt, er habe einen Fehler gemacht und dass das, was ich vorgestern gesehen habe,
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