The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
gefunden.«
Sie nickte. »Mein Vater hat sie mir mal aus Belgien mitgebracht. «
Plötzlich verunsichert berührte ich eine der Schleifen und fragte mich, ob ich sie mir einfach so hatte nehmen dürfen.
»Aber nein, trag sie ruhig«, beruhigte mich meine Mutter. »Dafür sind sie doch da. Außerdem steht dir das Gelb sehr gut.«
Sie fing an zu husten. Das Geräusch machte mir jedes Mal Angst – es ähnelte eher dem kraftlosen Röcheln eines erschöpften Tieres als einem Husten. So hatte sie ein ganzes Jahr lang gehustet, bevor man herausfand, dass sie krank war. Die Pflegerin kam herein und trat ans Bett. Sie zog mit den Zähnen den Deckel von der Nadel einer Spritze, grifnach dem Unterarm meiner Mutter und klopfte mit zwei Fingern auf eine der Venen.
»Gleich ist es geschafft, meine Liebe, gleich ist es geschafft«, sagte sie beruhigend, während sie vorsichtig die Nadel in die dünne Haut stach. »Sie werden jetzt ein bisschen schlafen, und wenn Sie wieder aufwachen, fühlen Sie sich gleich viel besser.«
Meine Mutter zwinkerte mir zu. »Sie sind eine schlechte Lügnerin, Schwester.« Dann schlummerte sie ein.
Ich setzte mich auf mein Fahrrad und radelte die acht Kilometer zur Stadtbibliothek. Ich war viel zu spät dran, und während ich durch die Straßen fuhr, entstand in meinem Kopf plötzlich der Gedanke, dass Mary Gordon Howard mich retten würde.
Mary Gordon Howard würde mich erkennen.
Sie würde mich sehen und instinktiv spüren, dass auch ich
eine Schriftstellerin und Feministin war und eines Tages ein Buch schreiben würde, das die Welt verändern würde.
Mit großen Hofnungen auf eine richtungsweisende Begegnung mit dieser beeindruckenden Frau stellte ich mich auf die Pedale, um noch schneller treten zu können.
Vor der Bibliothek angekommen, warf ich mein Rad in die Büsche und raste die Stufen zum Hauptlesesaal hinauf.
In zwölf Reihen saßen Frauen auf Klappstühlen und blickten zu der großen Mary Gordon Howard auf, die vor ihnen am Rednerpult stand. In ihrem steifen silbergrauen und mit enormen Schulterpolstern gepanzerten Kostüm wirkte sie wie eine Kriegerin in ihrer Rüstung. Ich bildete mir ein, im Saal eine unterschwellig feindselige Stimmung wahrzunehmen, und suchte mir schnell einen unauffälligen Platz hinter ein paar aufeinandergestapelten Stühlen.
»Ja, bitte?«, bellte Mary Gordon Howard, als in der ersten Reihe eine Frau die Hand hob, die ich als unsere Nachbarin Mrs Agnosta erkannte.
»Was Sie sagen, mag ja alles richtig sein«, begann Mrs Agnosta vorsichtig. »Aber was ist, wenn man mit seinem Leben glücklich ist? Ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich meiner Tochter wirklich ein anderes Leben wünsche als das, was ich führe. Ehrlich gesagt würde ich es sogar schön finden, wenn sie einmal so wird wie ich.«
Mary Gordon Howard runzelte die Stirn. Sie trug riesige blaue Topas-Ohrringe, und als sie sich jetzt ans Ohr fasste, um einen von ihnen zurechtzurücken, blitzte an ihrem Handgelenk eine brillantbesetzte Uhr mit rechteckigem Ziffernblatt auf. Irgendwie hatte ich nicht erwartet, dass Mary Gordon Howard so mit Schmuck behangen sein würde. Dann senkte sie den Kopf
wie ein Stier vor dem Angrifund musterte Mrs Agnosta mit zusammengeknifenen Augen. Einen Moment lang machte ich mir wirklich Sorgen um Mrs Agnosta, die vermutlich nur hergekommen war, um sich eine kleine kulturelle Nachmittagszerstreuung zu gönnen, und ofensichtlich keine Ahnung hatte, wo sie sich hinverirrt hatte.
»Das liegt daran, dass Sie eine klassische Narzisstin sind, meine Liebe«, klärte Mary Gordon Howard sie auf. »Sie sind so in sich selbst verliebt, dass Sie davon überzeugt sind, eine Frau könne nur dann glücklich werden, wenn sie so ist wie Sie. Dabei sind es gerade Frauen wie Sie, die immer wieder aufs Neue verhindern, dass ihre Geschlechtsgenossinnen sich emanzipieren.«
Innerlich gab ich ihr nicht ganz unrecht. Wenn es nach Mrs Agnosta gegangen wäre, hätten alle Frauen ihr Leben damit verbracht, Kekse zu backen und Toiletten zu schrubben.
Mary Gordon Howard blickte sich triumphierend im Saal um. »Und falls Sie jetzt keine weiteren Fragen mehr haben, wäre es mir eine Freude, Ihre Bücher zu signieren.«
Die Zuhörerinnen hatten keine weiteren Fragen mehr – oder waren zu eingeschüchtert, um noch welche zu stellen.
Die Ausgabe von »Die Übereinkunft« meiner Mutter an die Brust gedrückt, reihte ich mich in die Warteschlange ein. Ms Detooten, die Leiterin der Bibliothek,
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