The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
die ich schon von klein auf kannte, stand neben Mary Gordon Howard – die von Zeit zu Zeit ein unwilliges Seufzen von sich gab – und reichte ihr die Bücher zum Signieren. Irgendwann wandte Mary Gordon Howard sich Ms Detooten zu und zischte abfällig: »Leider alles völlig unbedarfte Hausmütterchen.«
Mittlerweile standen nur noch zwei Frauen vor mir. »Das stimmt nicht!«, hätte ich am liebsten laut protestiert und ihr
von meiner Mutter erzählt und davon, wie »Die Übereinkunft« ihr Leben verändert hatte.
Ms Detooten zuckte zusammen, drehte sich peinlich berührt um und strahlte erleichtert, als sie mich plötzlich in der Schlange entdeckte.
»Ja, wen haben wir denn da? Carrie Bradshaw!«, rief sie mit übertriebener Begeisterung, als wäre ich jemand, den Mary Gordon Howard unbedingt kennenlernen müsste.
Ich presste mir das Buch noch fester an die Brust, erstarrte und sah wahrscheinlich aus wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.
Mary Gordon Howard kam mir plötzlich vor wie eine der Gorgonen, dieser Schreckensgestalten aus der griechischen Mythologie, die jeden, der sie anblickt, zu Stein erstarren lassen. Sie sah auf, musterte mich und setzte dann erst einmal in Ruhe ihre Unterschrift in das Buch, das vor ihr lag.
»Carrie will später einmal Schriftstellerin werden, nicht wahr, Carrie?«, säuselte Ms Detooten.
Ich nickte.
Die Gorgone betrachtete mich auf einmal mit neuem Interesse und legte sogar den Stift zur Seite. »Ach? Warum das denn?«, fragte sie.
»Äh … wie bitte?«
»Warum du Schriftstellerin werden willst, habe ich gefragt.« Ich warf Ms Detooten einen Hilfe suchenden Blick zu, doch die wirkte genauso entsetzt wie ich. »Ich … ich weiß nicht.«
»Wenn dir kein wirklich stichhaltiger Grund einfällt, solltest du es besser gleich bleiben lassen«, blaffte die Gorgo. »Als Schriftstellerin muss man etwas zu sagen haben. Und zwar möglichst etwas Interessantes. Wenn du nichts Interessantes
zu sagen hast, solltest du nicht Schriftstellerin, sondern lieber etwas Nützliches werden, zum Beispiel Ärztin.«
»Danke«, flüsterte ich.
Als die Gorgo die Hand nach dem Buch meiner Mutter ausstreckte, war ich einen Moment lang versucht, mich einfach umzudrehen und wegzulaufen, aber ich war zu eingeschüchtert. Mit winzigen spitzen Buchstaben setzte sie ihre Unterschrift in das Buch.
»Vielen Dank, dass du da warst, Carrie«, sagte Ms Detooten, als mir das Buch zurückgereicht wurde.
Mein Mund war völlig ausgetrocknet. Ich nickte wie betäubt und stolperte nach draußen.
Ich hatte nicht einmal die Kraft, mein Fahrrad aus dem Gebüsch zu holen. Stattdessen setzte ich mich erst einmal auf die Bordsteinkante, versuchte, mein zerstörtes Ego wieder aufzurichten, und wartete, bis das vergiftende Gefühl der Scham etwas abgeebbt war. Als ich schließlich aufstand, war mir, als wäre mein Leben plötzlich um eine Dimension ärmer geworden.
»Wie war es in der Bibliothek?«, fragte meine Mutter später mit schwacher Stimme. Ich saß in dem Sessel neben ihrem Bett und hielt ihre Hand. Ihre Hände waren immer sehr gepflegt. Hätte man nur ihre Hände betrachtet, wäre man nie auf den Gedanken gekommen, dass sie schwer krank war.
Ich zuckte mit den Achseln. »Das Buch, das ich wollte, hatten sie nicht.«
Meine Mutter nickte. »Das nächste Mal vielleicht.«
Ich habe ihr nie erzählt, dass ich auf einer Lesung ihrer Heldin Mary Gordon Howard war und ihr Buch signieren ließ. Und natürlich habe ich ihr nie gesagt, dass Mary Gordon Howard gar keine Feministin war. Denn wie kann man Feministin
sein, wenn man andere Frauen wie den letzten Dreck behandelt? Dann ist man keine Feministin, sondern genauso ein Biest wie Donna LaDonna.
Ich habe auch sonst nie jemandem von dieser Begegnung erzählt. Aber sie begleitete mich lange wie eine schmerzhafte Ohrfeige, die man zwar aus seinen Gedanken verdrängen, jedoch nie ganz vergessen kann.
Selbst heute durchzuckt mich immer noch kurz ein Gefühl der Scham, wenn ich daran zurückdenke. Ich hatte mir gewünscht, von Mary Gordon Howard gerettet zu werden.
Aber das ist lange her. Ich bin nicht mehr das Mädchen von damals. Heute muss ich mich nicht mehr schämen. Ich drehe mich zur anderen Seite, knautsche mein Kissen zurecht, kuschle mich hinein und denke an den Tag mit Sebastian zurück.
Ich muss nicht mehr gerettet werden.
Konkurrentinnen
»Donna LaDonna soll jetzt ja fest mit Sebastian Kydd zusammen sein«, erzählt Lali und zieht
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