The Cutting
spielte die verschiedenen Möglichkeiten durch. Was war mit den Opfern? Katie Dubois. Lucinda Cassidy. Elyse Andersen. Wendy Branca. Brian Henry. Alle blond. Alle sportlich aktiv. Alle gut aussehend. Alle weiblich, bis auf einen. Der Name Harry Lime tauchte im Zusammenhang mit Dubois und Andersen auf. Dubois war vor ihrer Ermordung vergewaltigt worden. Dubois und Andersen war das Herz herausgetrennt worden. Über das Schicksal der anderen wusste er noch nichts.
McCabe machte sich Gedanken über Kanes Sexualität. In Miami hatte er aus seinem schwulen Lebensstil kein Geheimnis gemacht. Vielleicht war er ja bisexuell. Nicht weiter ungewöhnlich. In einer Statistik des Kinsey-Instituts hatte er gelesen, dass 11,6 Prozent aller weißen Männer zwischen zwanzig und fünfunddreißig sich zu Männern und Frauen gleichermaßen hingezogen fühlen.
Bollinger kam zurück. Er schob ihr ihre Tasse hin. »Was wissen Sie über Kanes Sexleben?«
»Ah, jetzt wird’s interessant«, erwiderte sie.
»Ernsthaft. Ich weiß, dass er eine dauerhafte Beziehung mit Pollard – Entschuldigung: Pollock – gehabt hat, aber davon abgesehen?«
»In sexueller Hinsicht war Lucas Kane ein Raubtier. Männer. Frauen. Das war ihm völlig egal. Er war hemmungslos und unersättlich.«
»Sie meinen, er war bi?«
»Nein, das ist viel zu sanft ausgedrückt. Im Prinzip hat Sex fast jede von Lucas Kanes Handlungen bestimmt. Er hat andere Menschen regelrecht aufgefressen, sie benutzt und missbraucht. Seine Opfer waren meist jung und fit, aber von mangelnder Schönheit hat Lucas sich nie abschrecken lassen. Wenn er etwas wollte, dann hat er Sex eingesetzt, um es zu kriegen. Hat sogar ein Dickerchen wie mich mehrfach angebaggert.«
»Erfolgreich?«
»Nicht, dass es Sie etwas angehen würde, aber die Antwort lautet Nein. Lucas Kane war ein attraktiver, ein sehr attraktiver Mann. Er war wirklich schön, aber ich fand ihn abstoßend. Wie eine Schlange. Lucas hat dich gepackt, dich ausgesaugt und dann weggworfen. Daryl Pollock war der einzige Mensch – wobei die Definition ›Mensch‹ in diesem Fall sehr weit gefasst ist –, der so stark oder so unsensibel oder soziopathisch genug war, dass ihm das gleichgültig war. Die beiden waren füreinander geschaffen. Aber wenn Sie nichts dagegen haben, dann würde ich jetzt gerne das Thema wechseln. Bei Kanes Sexleben kriege ich eine Gänsehaut.«
»Okay. Erzählen Sie mir etwas über Stan Allards Selbstmord.«
»Ich schätze mal, das ist Merkwürdigkeit Nummer drei. Ich glaube nicht, dass es Selbstmord war.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Kurz nach Kanes Tod ist Stans Ehe endgültig in die Brüche gegangen, und er ist in ein schmuddeliges kleines Motel gezogen, das ›Endless Dunes‹. Im Grunde genommen ein Stundenhotel, nicht weit vom Strand entfernt. Sessions’ Version lautet ja, dass Stan wegen der Trennung von seiner Frau so niedergeschlagen war, dass er seinem Leben ein Ende setzen wollte.«
»Aber Sie glauben das nicht?«
»Stan war kein bisschen niedergeschlagen. Er war überglücklich. Ein paar Tage vor seinem angeblichen Selbstmord habe ich mit ihm zusammengesessen, und wir haben ein bisschen was getrunken. Wissen Sie, was er da über die Trennung gesagt hat? ›Das Beste, was mir je passiert ist. Ich hätte die blöde Zicke schon vor Jahren verlassen sollen.‹
Dann haben wir über den Mord an Kane geredet und ein bisschen rumgesponnen, und ich habe ihm von meinen Zweifeln bezüglich der Fingerabdrücke und der DNA erzählt. Darauf meinte er nur: ›Ich arbeite dran.‹
Also habe ich ihn gefragt: ›Was soll das heißen, Sie arbeiten dran? Ich denke, der Fall ist abgeschlossen?‹
Und da sagt er: ›Er ist noch nicht abgeschlossen. Ich arbeite dran.‹ Hören Sie, McCabe, Stan Allard war ein kluger Polizist, zäh und ausdauernd. Ein Überlebenskünstler. Ich könnte schwören, dass er sich niemals selbst erschossen hätte.« Melody Bollinger verstummte.
»Sie glauben, dass Pollock und Kane dahinterstecken.«
»Einer von ihnen. Oder beide zusammen. In der Regel hat Duane die Drecksarbeit für Kane erledigt, aber es hat ihnen beiden Spaß gemacht, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen. Wahrscheinlich auch, andere Menschen umzubringen.«
»Die beiden haben Allard umgebracht, weil der im Begriff war zu beweisen, dass Kane gar nicht tot war?«
»Ja.«
»Und Sessions hat nichts dagegen unternommen?«
»Ich habe etliche ziemlich vertrauenswürdige Informanten, die mir gesagt haben, dass
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