The Cutting
vom Hirntod die Rede, doch es gibt nach wie vor Menschen, die glauben, dass die Seele zumindest zum Teil im Herzen wohnt.«
»Gehören Sie auch zu diesen Menschen?«
Spencer lächelte. »Das, Detective, bleibt mein Geheimnis.«
»Sie führen heute Abend noch eine Transplantation durch?«
»Ja. Irgendwann im Lauf dieses Abends wird in einer Klinik in New Hampshire noch ein Herz geerntet. Wenn es hier ist, setze ich es einem fünfundvierzigjährigen Highschoollehrer ein, der eine Frau und zwei Kinder hat. Ohne diese Transplantation würde er das Jahresende nicht erleben.«
»Halten Sie es für denkbar, dass Katie Dubois umgebracht wurde, weil jemand ihr Herz zum Zweck einer Transplantation ernten wollte?«
Spencer hob den Kopf. »Wie auf einem Schwarzmarkt für Organhandel, meinen Sie?«
»Ja.«
»Die Antwort darauf lautet Nein.«
»Warum nicht?«
»Es wäre unmöglich.«
»Sie haben doch selbst gesagt, dass die Entfernung eines Herzens nicht besonders schwierig ist.«
»Ist sie auch nicht. Ein Kinderspiel für jeden halbwegs gut ausgebildeten Chirurgen oder Pathologen. Die Ernte ist nicht das Problem.«
»Sondern?«
»Eine ganze Menge anderer Dinge. Zunächst einmal gibt es im ganzen Land keine einzige Transplantationsklinik, die ein Spenderherz in Empfang nehmen würde, ohne genau zu wissen, woher es stammt und unter welchen Umständen der Spender gestorben ist. Außerdem ist ohne die direkte Beteiligung des sogenannten United Network for Organ Sharing überhaupt keine Organtransplantation möglich. Diese Organisation ist durch zahlreiche regionale Zweigstellen tätig, die sogenannten Organ Procurement Organizations, abgekürzt OPOs.«
»Und dort besorgen Sie sich Ihre geernteten Herzen?«
Spencer machte einen entspannten Eindruck, auf diesem Gebiet war er zu Hause. »Dort müssen wir sie besorgen. Es gibt keine andere Möglichkeit. Die OPOs haben das Monopol. In den Vereinigten Staaten gibt es etliche Dutzend davon. Sie sind nach geografischen Gesichtspunkten über das ganze Land verteilt. Das Cumberland ist die einzige Klinik in Maine, an der Herztransplantationen durchgeführt werden, und wir bekommen alle unsere Herzen über die New England Organ Bank in Newton, Massachusetts.«
»Wie funktioniert das genau?«
»Sobald ein Herz verfügbar ist, sagen wir mal von einem Schwerverletzten nach einem Autounfall, wird der Betreffende ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht, das mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Transplantationsklinik ist. Dann kommen eine Menge verschiedener Faktoren zum Tragen. Ob der Patient stirbt und das Herz gesund ist, zum Beispiel. Oder ob der Patient hirntot und das Herz gesund ist. Ob die behandelnden Notärzte des Krankenhauses von den Angehörigen des Opfers die Erlaubnis bekommen, die inneren Organe zu ernten. Wenn das alles passt, dann informiert das Krankenhaus die New England Organ Bank und trifft die notwendigen Vorbereitungen, um alle inneren Organe einschließlich des Herzens zu ernten.«
»Wer entscheidet, wer das Herz bekommt?«
»Die New England Organ Bank hat jederzeit eine Prioritätenliste mit Patienten vorliegen, die auf Herzen oder, in manchen Fällen, auch auf eine Herz-Lungen-Einheit warten. Die Patienten, die in akuter Lebensgefahr schweben, stehen ganz oben auf der Liste. Auch geografische Aspekte spielen eine wichtige Rolle. Ein Herz sollte nicht weiter transportiert werden als unbedingt nötig. Jeder Zeitverlust gefährdet den Erfolg einer Transplantation. Wenn alle diese Fragen geklärt sind, dann wird das Herz demjenigen Patienten angeboten, der die höchste Priorität besitzt, über die richtige Blutgruppe und eine möglichst hohe Übereinstimmung bei den Gewebemerkmalen verfügt und der im nächstgelegenen Transplantationszentrum liegt. In diesem Augenblick gibt es in den Vereinigten Staaten ungefähr zweitausendfünfhundert schwerkranke Menschen, die auf ein neues Herz warten. Viele, wenn nicht sogar die meisten von ihnen, werden sterben, während sie warten.«
»Eine geradezu ideale Situation für einen Schwarzmarkt, finden Sie nicht?«
»Für die Verkäufer sicher.«
»Aber auch für die Käufer«, erwiderte McCabe. »Sie haben doch selbst gesagt, dass viele sterben, während sie warten. Meinen Sie nicht, dass es unter denen etliche gibt, die bereit wären, eine stattliche Summe zu bezahlen, um die Warteliste zu umgehen?«
Spencer blieb eine Minute lang stumm und musterte McCabe. »Bestimmt«, sagte er dann in wohlüberlegtem Tonfall.
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