The Cutting
das war. Sie hat gesagt, ein Scout von einem College aus dem Süden. Ich habe mich ein bisschen darüber gewundert. Für unsere Spielerinnen – auch die wirklich guten, so wie Katie – interessiert sich außerhalb von Neuengland in der Regel niemand. Seinen Namen hat sie mir nicht verraten.«
»Wissen Sie noch, von welchem College?«
»Ja«, meinte Kenney nachdenklich. »Ich versuche mich gerade zu erinnern, was sie gesagt hat. University of Southern Florida … Western Florida … irgendwas in der Art.«
Schon wieder Florida. »Können Sie den Mann beschreiben?«, bat McCabe.
»Ich habe ihn nicht besonders gut gesehen. Hauptsächlich von hinten.«
»Wie wär’s zum Beispiel mit der Größe?«
»Groß. Ich würde sagen, so knapp eins neunzig. Athletischer Körperbau. Gepflegt. Breite Schultern.«
»Haare?«
»Na ja, er hatte welche. Im Gegensatz zu mir.« Kenney grinste sie an. »Dunkel, glaube ich. Er hatte eine Mütze auf, darum kann ich es nicht genau sagen. Am Hinterkopf waren sie jedenfalls kurz und adrett geschnitten. Konservativ. Sie haben sich eine Weile unterhalten, dann ist er in sein Auto gestiegen und weggefahren.«
»Was für ein Auto?«
»Oh je.« Kenney überlegte. Dann fiel es ihm ein. »Ein Geländewagen. Einer von der teuren Sorte.«
»Farbe?«
»Dunkel. Grün, glaube ich.«
»Haben Sie das Kennzeichen erkannt?«
»Hab gar keinen Blick drauf geworfen.«
»Welche Kleidung hat er getragen?«
Kenney machte die Augen zu, als wollte er sich geistig in die Situation zurückversetzen. McCabe fand es ziemlich frustrierend, dass andere sich nicht genauso plastisch an einzelne Szenen erinnern konnten wie er. »Cowboystiefel«, sagte er schließlich. »Schwarze Cowboystiefel. In Maine sieht man das nicht so oft. Und Jeans, glaube ich. Ein langärmeliges, schwarzes Polohemd. Eine Baseballmütze.«
McCabe hatte große Mühe, sich Spencer in Cowboystiefeln vorzustellen. Außerdem hatte er keine breiten Schultern. »Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?«
»Bloß dass ich zu Katie gesagt habe, sie sollte nicht mehr mit irgendwelchen Scouts reden, vor allem nicht mit Männern, ohne den Trainern Bescheid zu sagen. Weil das unklug sei.«
»Wie hat sie darauf reagiert?«
»Sie hat die Augen verdreht. Wie alle Jugendlichen hat sie wohl gedacht, dass ihr nie irgendwas passieren könnte.«
»Wurde schon beschlossen, wie die Schule mit ihrem Tod umgehen will?«, erkundigte sich Maggie.
»Noch nicht. Ich gehe davon aus, dass der Direktor den Tag der Beerdigung zum offiziellen Trauertag erklärt und den Schülern die Möglichkeit gibt, die Trauerfeier zu besuchen, je nachdem, was Katies Eltern geplant haben. So würde ich es jedenfalls machen.«
»Wann haben Sie Katie zum letzten Mal gesehen?«
»Beim Training. An dem Tag, an dem sie verschwunden ist. Mittwoch vor einer Woche.«
Die Antwort klang eigentlich recht glaubwürdig. Ohne Annie Raffertys Aussage hätte McCabe sie wahrscheinlich so hingenommen. Natürlich war McCabe klar, dass Mrs. Rafferty sich das Ganze auch einfach nur ausgedacht haben konnte. Eine müde alte Frau, die womöglich im Sessel vor ihrem Schlafzimmerfenster eingedöst war? Jeder Verteidiger, der auch nur halbwegs sein Honorar wert war, würde sich genau auf diesen Punkt stürzen und unterstellen, dass Mrs. Rafferty eingeschlafen war und geträumt hatte. Aber selbst wenn sie hellwach gewesen war und die Wahrheit sagte, wie sollten sie beweisen, dass das Mädchen, das sie auf Kenneys Eingangsterrasse gesehen hatte, tatsächlich Katie gewesen war? McCabe musste sich noch weiter vorwagen. Musste Kenney dazu bringen, sich selbst zu belasten.
»Sie unterrichten Biologie?«, fragte er.
»Ja, in der zehnten und elften Klasse. Hatte Katie aber nie als Schülerin.« Er war auf dem Weg in die Küche.
Als er mit einem zweiten Bier wieder auftauchte, sagte Maggie: »Als Biologielehrer haben Sie doch bestimmt schon oft seziert, oder nicht?«
Kenney blickte sie befremdet an. »Seziert? Na klar. Eine Zilliarde Frösche. Gelegentlich Schweineföten. Manchmal auch etwas größere Sachen. Wieso?«
McCabe wollte wissen, was passierte, wenn er den Druck ein kleines bisschen erhöhte. »Sie können doch bestimmt ganz geschickt mit dem Skalpell umgehen, nicht wahr?«, sagte er. Falls Kenney der Killer war, dann würde ihn die Frage vielleicht aufschrecken, ihm den Eindruck vermitteln, dass sie ihm auf der Spur waren.
»Worum zum Teufel geht es hier eigentlich?«, wollte Kenney
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