The Cutting
wieder Florida. Elyse Andersen. Ermordet von Harry Lime in Florida. Der Fußballscout der University of West Florida. Schon wieder Harry Lime. Dann Lucas Kane, Spencers Freund und vielleicht auch Geliebter aus dem Studium, ebenfalls in Florida ermordet. Aber von wem? Harry Lime? Philip Spencer?
Mrs. Spencer, hatten Ihr Mann und Lucas Kane eine Liebesbeziehung?
Bitte gehen Sie.
McCabe schaltete seinen Computer ein und gab bei Google den Namen »Lucas Kane« sowie »Mord« und »Florida« ein. Er erhielt Tausende von Treffern. Der erste war eine Schlagzeile aus dem Miami Herald: VERLORENER SOHN EINES BERÜHMTEN PIANISTEN IN SEINER WOHNUNG IN SOUTH BEACH ERMORDET. Lucas Kane war also der Sohn des klassischen Pianisten Maurice Kane gewesen. Zum Zeitpunkt der Tat hatten Vater und Sohn offensichtlich schon jahrelang keinen Kontakt mehr gehabt.
Lucas Kanes Ermordung nahm in der Berichterstattung des Miami Herald viel Raum ein. Die meisten Artikel stammten von einer Polizeireporterin namens Melody Bollinger. McCabe las jedes Wort. Gegen Ende der Neunzigerjahre war Kane eine feste Größe in South Beach gewesen. In dem Artikel wurde jedoch mit keinem Wort erwähnt, dass er Arzt war. Oder sonst einen seriösen Beruf ausübte. Er lebte – offensichtlich gar nicht schlecht – vom Handel mit Drogen, überwiegend Koks und Meth, sowie mit warmen, jungen Körpern beiderlei Geschlechts, die er an vergnügungssüchtige Besucher aus New York und L.A. vermittelte. Er bewohnte ein Apartment direkt am Strand, fuhr einen BMW 740 und war regelmäßig in der Clubszene von South Beach anzutreffen. Häufig mischte er sich unter die schillernden Schwulen, die in den Häusern der Reichen und Berühmten zusammentrafen, unter anderem auch, laut Bollinger, bei Gianni Versace.
Allerdings musste Kane irgendjemandem gewaltig in die Quere gekommen sein. Im März 2001 hatte ihm jemand eine Pumpgun unters Kinn gehalten und sein Gesicht in Hackfleisch verwandelt. Man hatte seine Leiche nackt und an einen umgeworfenen Stuhl gefesselt in seinem Apartment gefunden. Angeblich hatte niemand den Schuss gehört. Vier oder fünf Stunden nach der Erschießung hatte Kanes damaliger Lebenspartner, ein Bodybuilder und Schmarotzer namens Duane Pollard, den Toten entdeckt und die Polizei gerufen.
Eine Identifikation des Gesichts war unmöglich, aber die Leiche hatte mit einer Größe von einem Meter achtundachtzig und einem Gewicht von dreiundneunzig Kilogramm die richtigen Maße aufgewiesen, und die zahlreichen Fingerabdrücke, die man überall in der Wohnung und in seinem BMW gefunden hatte, stimmten mit denen des Toten überein. Seine Identität wurde letztendlich durch eine DNA-Analyse offiziell bestätigt. Ansonsten hatte man am Tatort keine weiteren Indizien gefunden. Sein Freund Pollard besaß ein wasserdichtes Alibi. Das Miami Beach Police Department schnüffelte noch ein bisschen herum und kam schließlich zu dem Schluss, dass es sich um einen Mord innerhalb der Drogenszene handelte, da Kane ein stadtbekannter Dealer gewesen war. Ein gewisser Detective Stan Allard hatte die Theorie entwickelt, dass die örtlichen Drogenbosse Kane umgebracht hatten, um sich dadurch eines halbprofessionellen Wettbewerbers zu entledigen, der ihnen lästig geworden war. McCabe konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Ermittler genauso froh über Kanes Ableben waren wie seine Konkurrenten. Ein paar Wochen später legten sie den Fall zu den Akten. Kanes betagter Vater, Maurice Kane, der angeblich an einer chronischen Herzinsuffizienz litt, verweigerte jeden öffentlichen Kommentar zum Tod seines Sohnes.
McCabe rief beim Miami Beach Police Department an und erkundigte sich nach Detective Stan Allard.
»Tut mir leid, aber bei uns gibt es keinen Detective Stan Allard.«
»Allard? A-L-L-A-R-D?«
»Tut mir leid, Sir, aber den Namen finde ich hier nicht im Verzeichnis.«
»Könnten Sie mich dann mit einem anderen Mitarbeiter aus der Mordkommission verbinden?«
Eine männliche Stimme meldete sich. »Detective Sessions.«
»Sessions? Hallo, hier spricht Detective Sergeant Michael McCabe vom Portland Police Department in Maine.«
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin auf der Suche nach einem gewissen Detective Stan Allard, der vor ein paar Jahren bei der Mordkommission in Miami Beach gewesen sein muss. Arbeitet er immer noch bei Ihrer Dienststelle?«
»Wer sind Sie doch gleich?«
»Mein Name ist McCabe. Mike McCabe. Ich bin Detective in Portland,
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