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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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Messer hervorquoll. Sie musste durch drei Schichten starkes, aber nachgiebiges Muskelgewebe schneiden, und als sie die Gebärmutter erreichte, musste sie achtgeben, dass sie das Baby nicht verletzte. Mit einer Hand hielt sie die Oberfläche der Gebärmutter fest, während sie mit der anderen einen weiteren festen Schnitt ausführte. Ein Schwall von Fruchtwasser mit seinem starken, erdigen Geruch kam ihr entgegen, und sie konnte den blassen, bläulichen Körper erkennen, der zusammengerollt im Inneren lag. Gaia griff vorsichtig hinein und hob ein Baby heraus, das nicht größer als ein Laib Brot war. Die schlaffen Beine baumelten herab. Eine cremefarbene, wachsartige Substanz bedeckte hier und dort seine Haut. Gaia wischte dem Baby Blut und Schleim vom Gesicht und reinigte seine Atemwege. Sie presste ihm ihren Mund auf Lippen und Nase, ohne auf den Blutgeschmack zu achten. Sanft, mit kaum mehr als einem Hauch, beatmete sie das Kind. Sie sah, wie sich seine Brust leicht hob. Sie massierte sein Brustbein und fuhr dann fort, es vorsichtig zu beatmen.
    Nichts geschah, auch nicht, als sie dem Kind einen festen Klaps gab. Also beatmete sie es weiter, versuchte, es zu einer Reaktion zu zwingen. Sie probierte es mit einer Herzdruckmassage, dann einer weiteren. Der Körper des Kindes blieb schlaff und reagierte nicht, und Gaia kämpfte gegen Tränen der Enttäuschung an. Sie war zu spät gekommen. Es hatte zu lange gedauert. Das Kind war tot wie sein Vater und seine Mutter – von der Enklave ermordet, bevor es je die verdorbene Luft ihrer Welt hatte atmen können.
    Sie lauschte an der schlaglosen Brust, überprüfte noch einmal die Atemwege und beatmete das Baby von Neuem. Sie tat einfach, was sie für das Richtige hielt, und wünschte mehr denn je, dass ihre Mutter bei ihr wäre und ihr helfen könnte. Nach einer weiteren Reihe von Herzdruckmassagen hielt sie inne und spähte in das kleine, schlaffe Gesicht. »Bitte«, flüsterte sie. Sie hatte die Chance vertan, ihre Mutter zu sehen. Sie hatte ihr eigenes Leben riskiert, um diesem Kind zu helfen. Es musste einfach überleben.
    »Was machst du da?«, fragte eine leise Stimme.
    Gaia hatte nicht gehört, wie sich die Tür hinter ihr geöffnet hatte. Sie fuhr herum, das Baby in ihren Armen, der verstümmelte Leichnam der Toten nur allzu offensichtlich neben ihr.
    Sie hatte den Mann noch nie gesehen. Sein dunkles Haar hing ihm nachlässig in die Stirn, und sein Gesicht war blass. »Du bist ja verrückt«, sagte er beinahe ehrfürchtig, das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Sie sah, wie er im Zurückweichen auf einen Stein im hellen, grünen Gras trat und beinahe stolperte. »Boris!«, rief er.
    »Bitte«, sagte sie und folgte ihm nach. »Ich wollte nur das Kind retten. Du musst doch …«
    Er schüttelte den Kopf und ging weiter rückwärts von ihr weg, als ob er es nicht wagte, ihr den Rücken zuzukehren. »Bleib mir vom Leib«, sagte er. Dann rief er abermals. »Boris! Du kommst besser rasch her!«
    Gaia zitterte vor Angst. Sie griff sich die Schere aus der Tasche und durchschnitt die Nabelschnur. Dann verstaute sie die Instrumente und warf sich ihre Tasche um. Sie konnte das leblose Kind nicht zurücklassen. Panisch hauchte sie ein letztes Mal in seine Lungen, dann wickelte sie es in ihre Tunika und floh aus der Tür. Während schnelle Schritte sich näherten, erklomm sie rasch die Steinmauer, die den Hof umgab. Sie schwang sich hinüber, verletzte sich an der Hand und fiel in einen Haufen dampfenden Kompost. Der schwere, faulige Geruch hüllte sie ein, doch in Sekundenschnelle war sie wieder auf den Beinen und stolperte durch einen Garten zu einem Tor. Sie stieß es auf, Baby und Tasche noch immer an sich gepresst. Eine lange Gasse tat sich vor ihr auf, und sie rannte.
    Gellende Rufe verrieten ihr, dass man die Verfolgung aufgenommen hatte. Sie floh die Gasse hinab, bog in eine breitere Straße und hielt verzweifelt nach einer Bäckerei oder irgendetwas Vertrautem Ausschau. Sie wagte einen Blick zurück, sah Soldaten, die Gewehre im Anschlag, und schrie auf vor Angst. Hinter der nächsten Ecke tauchten noch vier Wachmänner auf Fahrrädern auf. Sie bog scharf rechts ab, brach ein Gartentor auf. Mehrere weiß gekleidete Damen saßen um einen mit Silber gedeckten Tisch und sprangen nun kreischend auf die Beine. Gaia rannte an ihnen vorbei, in Richtung eines weiteren Tores, das aus dem Garten hinausführte.
    Sie drängte sich hindurch und blieb mit dem Gurt ihrer

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