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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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einer dieser Klappspiegel, wie vornehme Damen sie benutzten, um ihr Make-up zu richten. Gaia fühlte, wie sie blass wurde, und starrte den Spiegel an. Machte er sich über sie lustig?
    Sephie nahm den Spiegel für sie an und schob ihn nachdrücklich zwischen Gaias steife Finger. »Danke«, sagte Sephie. »Du bist sehr großzügig.«
    Gaia wagte nicht, den Blick zu heben, der all die Wut und die Scham offenbaren würde, die sie darüber empfand, wie eine Missgeburt behandelt zu werden. Wieder einmal. Sie tastete nach dem Türknauf und murmelte einen Abschiedsgruß, dann zog sie die Tür auf. Die vier Wachen, die draußen im Schatten herumsaßen, sahen auf. Sie hätte den Spiegel auf der Stelle fallen gelassen und unter ihrem Fuß zertreten, hätte Sephie sie nicht hart am Arm gepackt. »Reiß dich zusammen«, zischte sie zornig, drückte Gaia ihre schwarze Tasche in die Arme und nahm ihr den kleinen Spiegel ab.
    Die Männer traten auf sie zu, während Sephie sich von Tom verabschiedete. Gaia war verwirrt von all den Dingen, die sie heute Morgen erlebt hatte. Sie zog sich den Hut tief in die Stirn, fühlte das leichte Kratzen des Strohs und wünschte, sie hätte noch ihr langes Haar, um ihr Gesicht dahinter zu verbergen.
    Sephie trat an ihre Seite und schritt gelassen aus. Die Wachen fielen etwas zurück, und Sephie legte den Arm um Gaias Hüfte. »Du bist nicht schlecht als Assistentin.«
    Gaia zuckte die Achseln.
    »Aber an deinen Manieren musst du noch arbeiten«, sagte sie. »Du hast mich da drin ganz schön blamiert.«
    »Wieso blamiert?«, rief Gaia aus. Sie warf den Wachen einen Blick zu und senkte ihre Stimme. »Er hat mich beleidigt. Was soll ich denn mit einem Spiegel? Mir mein entstelltes Gesicht aus der Nähe ansehen?«
    Sephie sah sie eigenartig an. »Es war ein Zeichen seiner Wertschätzung. Er konnte dir nichts Wertvolleres geben. Du bist eine Gefangene, Gaia, wahrscheinlich gehörte der Spiegel seiner Frau. Es war eine Geste des Respekts und der Dankbarkeit.«
    Gaia löste sich aus Sephies Griff, damit sie alleine gehen konnte und nicht so tun musste, als wäre sie Sephies Freundin.
    Sephie seufzte. »Also schön. Aber du könntest den Menschen auch eine Chance geben. Nicht jeder sieht in dir ein hässliches Monstrum.«
    Sie erreichten die breite Straße, die zum Bastionsplatz führte, und schon konnte Gaia die Geräusche des Markts hören. Jetzt, wo sie sich wieder dem Gefängnis näherten, mochte sie die Gelegenheit, sich etwas umzusehen, nicht vor lauter schlechter Laune verschenken. Sie betrachtete die Passanten, die Schaufenster und die Tauben, die in der Gosse pickten. Unwillkürlich hielt sie nach Captain Grey Ausschau und ärgerte sich über ihre eigene Enttäuschung, als sie ihn nirgends entdeckte. Sie roch frisch gebackenes Brot und ließ den Blick aufmerksam über die Straße schweifen, auf der Suche nach braunen Brotlaiben oder einem Schild mit den zwei eingravierten Weizengarben, konnte aber nichts entdecken, und der Geruch verflog. Sie erreichten wieder den großen Platz und das bunte Markttreiben.
    Da standen Fässer mit Kohlköpfen und Kartoffeln, und an einem anderen Stand hingen niedliche blaue und weiße Strampelanzüge, einer davon mit einem kunstvollen Faltenbesatz. Meinem Vater würde das gefallen , dachte sie und spürte einen Stich in ihrem Herzen. Er würde den ganzen Markt mögen, besonders aber die Schneiderarbeiten. Sie war es ihm schuldig, das Leben auszukosten, so gut sie konnte – selbst als Gefangene.
    Sie sah Äpfel und sogar sechs Orangen, die sorgfältig in einer Schale arrangiert waren. Eine siebte hatte man in Scheiben geschnitten. Sie hatte noch nie eine Orange gegessen, aber sie kannte sie aus einem Bilderbuch. Die satte Farbe rief nach ihr, zog sie an wie ein Magnet. Sie kamen so nahe daran vorbei, dass Gaia die Orangenscheiben riechen konnte und ihr das Wasser im Mund zusammenlief.
    »Sind das echte Orangen?«, murmelte Gaia Sephie zu.
    Sephie warf einen kurzen Blick darauf. »Die sind unverschämt teuer. Normalerweise essen die Besitzer der Orangenbäume sie einfach selbst oder schenken der Familie des Protektors ein paar. Doch hin und wieder kann man auch welche kaufen. Stellt sich dein Hunger wieder ein?«
    »Ja.«
    »Gut. Ich wollte schon anfangen, mir Sorgen zu machen.«
    Jetzt, wo sie dem Gefängnis so nahe waren, nahmen die Wachen sie wieder in die Mitte, doch Gaia konnte gerade noch ein rot gekleidetes Mädchen auf den Orangenverkäufer zutreten sehen.

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