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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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Das Mädchen nahm eine Börse mit Münzen heraus, und während die Wachen Gaia vorantrieben, sah Gaia immer wieder über ihre Schulter zurück und verfolgte den Kauf. Als das Mädchen nach einer der Orangen griff, rutschte ihre Kapuze ein wenig zurück, und die Sonne glänzte auf ihrem blonden Haar: Es war Rita, das Mädchen, das bei der Hinrichtung versucht hatte, Gaia zurückzuhalten. Das ihr gesagt hatte, sie solle still sein.
    Gaia stolperte über einen Pflasterstein, und Rita sah auf. Für eine Sekunde begegneten ihre dunklen Augen Gaias Blick, und ihre Lippen formten ein lautloses O.
    »Vorsichtig«, sagte Sephie.
    Eine der Wachen half Gaia wieder auf und drängte sie in Richtung des Torbogens. Gaia verlor Rita aus den Augen, doch als sie den kurzen Moment noch einmal Revue passieren ließ, glaubte sie, Mitleid in den Augen der anderen erkannt zu haben. Oder war es etwa Zuneigung gewesen? Vielleicht hatte Sephie recht. Vielleicht ging Gaia zu schnell davon aus, dass andere sich über sie lustig machten, und missdeutete, wie man sie wirklich sah.
    Als der Schatten des Torbogens auf sie fiel, senkte Gaia den Kopf. Sie gab ihren Hut ab und wurde tiefer ins Gefängnis eskortiert. Bald waren sie und Sephie zurück in Zelle Q, und Gaia wusste wieder, was es hieß, am Leben zu sein und Hunger zu haben. Sie würde diese Haft überleben und einen Ausweg finden.

12
    Eine Taube kommt vorbei
    Diesen Abend aß Gaia ihre erste richtige Mahlzeit seit vielen Tagen. Das Bild der Orangen verfolgte sie, und die Erinnerung an ihren süßen Duft hing wie ein Nebel reiner Farben in ihrer Nase. Sie verzehrte sich so sehr nach einer Orange, dass es einer Krankheit gleichkam. Und darüber musste sie lachen.
    »Was ist so lustig?«, fragte Sephie.
    »Ich könnte jemanden umbringen für eine Orange«, sagte Gaia.
    Die Frauen lachten, und der Klang war ein ungewohnter Kontrapunkt zum Geräusch der Löffel, die in den Tellern kratzten. Während Gaia den Eintopf mit Rinderaroma aß, spielten ihre Finger mit dem kleinen Spiegel, den Sephie ihr zurückgegeben hatte. Sie drehte und wendete ihn und dachte darüber nach, wie sehr sich ihr Leben in so kurzer Zeit doch gewandelt hatte. Vor weniger als drei Wochen hatte sie solchen Reichtum wie in Toms und Doras Haus nur aus dem Tvaltar gekannt, wo er von einem glanzvollen Schimmer des Unwahrscheinlichen umhüllt war. Nie hätte sie gedacht, dass man Orangen für Geld kaufen konnte, auf einem offenen Marktplatz nur fünf Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. Auch dass man ein Kind in Steißlage komplett im Mutterleib drehen konnte, hatte sie nicht gewusst. Und sie hatte geglaubt, dass ihre Eltern beide noch am Leben waren. Innerhalb der Mauer wartete eine andere Welt, grausam und verführerisch zugleich.
    »Das ist ja ein hübsches kleines Ding«, sagte eine der Frauen. Ihr Name war Cotty, und ihr weiches schwarzes Haar umgab ihr faltengezeichnetes Gesicht in dicken Locken. Sie nahm den Spiegel hoch, betrachtete sich darin und tat so, als richte sie sich ihren Pony. Gaia musste lächeln. »Du kannst ihn behalten«, sagte sie.
    »Oh nein. Das kann ich nicht annehmen.«
    »Ich habe keine Verwendung dafür«, sagte Gaia.
    Dennoch gab Cotty ihn ihr zurück und legte dabei ihre Finger auf Gaias Hand. Cottys Finger waren von einem tiefen, gleichmäßigen Braun, einige Schattierungen dunkler als Gaias eigene sonnengebräunte Haut.
    »Sag so was nicht«, sagte Cotty. »Alles hier drin hat seinen Wert. Du wirst schon sehen. Du kannst ihn eintauschen.«
    »Vielleicht bei einer Wache«, sagte Sephie, »für Essen. Oder Strickgarn.«
    »Oder ein Buch«, fügte Myrna hinzu.
    Gaia wog den Spiegel zweifelnd in der Hand. »Wie war dein Tag?«, fragte sie Myrna höflich.
    Myrnas auffällige schwarze Brauen hoben sich, während sie einen weiteren Bissen ihres Brots nahm. »Ich habe einen Blinddarmdurchbruch operiert, danke der Nachfrage«, sagte sie kauend.
    Gaia dachte zuerst, sie mache einen Scherz, aber Sephie stellte ihr ein paar Fragen zu der Operation, die Myrna ernst beantwortete.
    »Gaia war heute eine zuverlässige Assistentin«, berichtete Sephie. »Du solltest sie nächstes Mal mitnehmen. Ihr ein, zwei Dinge beibringen.«
    Myrnas schwarze Augen studierten Gaia einen Moment, dann stieß sie aus: »Sie hätten sie vor der Mauer lassen sollen, wo sie zumindest niemandem Schaden zufügen kann, auf den es ankommt«, sagte Myrna.
    In Gaia loderte heißer Groll, aber sie entgegnete nichts.
    »Im Ernst, Myrna«,

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