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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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Weite. »Das hätte nicht passieren sollen.«
    Sie stieß ein ersticktes Lachen aus. »Nein? Findest du nicht?«
    »Auch wir machen Fehler«, sagte er leise.
    Fast hätte sie wieder gelacht. Es ging nicht darum, ob die Enklave Fehler machte. Das ganze System war von Grund auf unmoralisch. Sie folgte seinem Blick und sah die graue, geschwungene Ausdehnung des Trockensees, die zum Horizont hin eine rauchblaue Farbe annahm. Die heruntergekommenen Häuser Wharftons am nahen Ufer blieben fast vollständig von der Flanke des Hügels und der Mauer verdeckt. Man konnte Wharfton von hier aus leicht übersehen, man konnte vergessen, dass seine Bewohner überhaupt existierten. Die besondere Schönheit der Aussicht schien sie in ihrem täglichen Kampf ums Überleben zu verspotten.
    »Du hast mir nicht einmal gesagt, dass er tot ist.« Gaias Stimme bebte. »Du hättest es mir jederzeit sagen können, aber du hast es nicht getan.«
    Da wandte sich Captain Grey zu ihr um und betrachtete sie. »Es tut mir leid«, sagte er.
    Bis zu diesem Moment hatte sie nicht gewusst, dass sie auf diese Worte gewartet hatte. Kurz war sie den Tränen nahe, dann ließ seine Entschuldigung eine lange aufgestaute Flut von Fragen aus ihr hervorbrechen.
    »Wo liegt er begraben?«, wollte sie wissen.
    »Ich kann es herausfinden.«
    »Wo ist meine Mutter?«
    Seine Augen zuckten seltsam. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
    Sie trat einen kleinen Schritt auf ihn zu. »Ist sie noch am Leben?«
    »Auch das weiß ich nicht. Ich habe nicht gehört, dass sie gestorben wäre.«
    »Du weißt nicht sehr viel, oder?«, fragte sie.
    »Eins weiß ich«, sagte er sanft, seine Augen im Schatten seines Huts verborgen, »ich gebe mir wirklich Mühe, höflich mit dir zu reden.«
    Sie verschränkte die Arme fest vor der Brust. »Entschuldige«, sagte sie beißend, »ich vergaß. Ich sollte dir dankbar sein, oder nicht? Du hast mir eine Orange geschenkt. Wir sind quitt.«
    Seine Augen verengten sich. »Ich habe das nicht …«
    Sie hörte, wie er scharf die Luft einsog. Sein Blick war über und hinter sie gerichtet. Weiter die Straße hinauf waren zwei Frauen stehen geblieben und sahen zu ihnen herab. Ihre weißen Kleider strahlten im Sonnenschein, und selbst aus der Entfernung konnte Gaia sehen, dass sie beide sehr hübsch waren. Die ältere trug einen ausladenden Hut, doch die jüngere hielt ihren Hut an der Schnur, und ihr ungebändigtes blondes Haar wehte leicht im Wind, sodass sie es mit ihren schlanken Fingern zurückstreichen musste. Eine kaum wahrnehmbare Handbewegung mochte ein Gruß gewesen sein, aber Gaia konnte es nicht mit Sicherheit sagen.
    »Lass uns weitergehen«, sagte er unvermittelt und setzte sich wieder in Bewegung.
    »Wer war das?«, fragte sie. Sie musste fast rennen, um mit ihm Schritt zu halten.
    »Meine Mutter und meine Schwester«, sagte er.
    »Aber sie …« Gaia war verwirrt. Sie gehörten offensichtlich zur Oberschicht, der Sorte von Leuten, die ihre Söhne nicht zur Wache schickten.
    »Kennen sie den Protektor?«, fragte sie und wunderte sich, dass sie nicht darum baten, Captain Grey vom Dienst freizustellen.
    Er sah sie an, als ob sie etwas sehr Eigenartiges gesagt hätte. »Er ist mein Vater«, sagte Captain Grey.
    Wie vom Donner gerührt blieb Gaia stehen. Captain Grey. Captain Leon Grey. Ehemals Leon Quarry, der älteste Sohn des Protektors.
    »Ich habe von dir gehört«, staunte sie.
    Er zog die sardonischen Silben seiner Antwort in die Länge: »Na so was.«
    Captain Grey ging noch zwei Schritte und hielt dann ebenfalls an. Er wagte einen Blick über die Schulter, doch der Hügel hatte sie außer Sichtweite seiner Familie geführt. Gaia mühte sich, ihr Wissen über diesen jungen Mann, diesen Captain der Wache, mit dem in Einklang zu bringen, was sie über den Sohn des Protektors gehört hatte. Den vorgebrachten Sohn. Leon war der Junge, der vor Jahren aus den Tvaltarsendungen verschwunden war. Jetzt begriff sie, warum er ihr entfernt bekannt vorgekommen war, als sie ihn das erste Mal getroffen hatte: In ihrer Kindheit hatte sie Bilder von ihm als kleinem Jungen gesehen, Bilder, zehn Meter groß. Doch er hatte sich verändert. Sehr sogar.
    »Ich verstehe nicht«, sagte sie.
    Seine Lippen verhärteten sich zu einer geraden Linie, während er mit einer Entscheidung zu ringen schien.
    »Komm mit«, sagte er dann, griff ihren Arm und zog sie weiter voran, diesmal drängender. An der nächsten Ecke bog er nach links in eine enge Straße, die sie

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