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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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unter sich aufteilten, hielten die Frauen ihre Orangenstücke ins Licht. Gaia biss ihr Stück genüsslich entzwei und ließ den klaren, fruchtigen Geschmack jede Pore ihrer Zunge kitzeln, ehe sie schluckte. Dann blickte sie hinüber zu Myrna, die sie noch immer nachdenklich betrachtete.
    »Was ist?«, fragte Gaia.
    »Nichts.«
    Doch Gaia spürte, wie sich ein Hauch der Besorgnis über ihre Arme ausbreitete. Sie wusste, was Myrna dachte: Sephie hätte nie eine Orange nach drinnen schicken können. Und diese Orange hatte auch nichts damit zu tun, dass Myrna einen Patienten geheilt hatte. Jemand hegte ein Interesse an Gaia, jemand mit genügend Macht, um eine Orange durch Gefängniswände zu bringen.
     
    Eines späten Nachmittags, nachdem Myrna und Gaia ein zu früh gekommenes kleines Mädchen entbunden hatten, erblickte Gaia ein Trio Soldaten, das vor einem Café entspannte, unter ihnen zu ihrer Überraschung Captain Grey. Sie und Myrna waren von vier bewaffneten Männern umringt, doch Gaia nahm die Eskorte kaum noch wahr, und als sie plötzlich stehen blieb, trat ihr einer der Soldaten auf die Ferse.
    »He!«, sagte er.
    »Tut mir leid«, murmelte Gaia und bückte sich, um ihren Fuß wieder in den losen Schuh zu zwängen.
    Captain Grey hob eine kleine, weiße Kaffeetasse an. Sie hatte den Eindruck, dass er dünner geworden war, doch er trug seine übliche schwarze Uniform und den breitkrempigen Hut und gebärdete sich auf seine gewohnt lockere Art.»Wachen! Einen Moment!«, befahl Captain Grey.
    Die Soldaten blieben stehen und nahmen Haltung an. Myrna hielt ebenfalls an, und obwohl Gaia keine Wahl hatte, als an ihrer Seite zu bleiben, vermied sie ihren Blick.
    »Was gibt’s, Captain?«, fragte Myrna brüsk.
    Gaia konnte hören, wie sich seine Stiefel über das Kopfsteinpflaster näherten, doch sie studierte weiter mit großem Interesse eine blühende Ranke, die an der Wand neben ihr wuchs. Er brachte einen schwachen Kaffeegeruch mit sich, einen Geruch der Freiheit. Ein wilder Stich der Eifersucht durchzuckte sie, ehe sie sich zusammenreißen konnte.
    »War deine Assistentin eine Hilfe?«, fragte Captain Grey beinahe sanft.
    »Sie schlägt sich ganz passabel«, sagte Myrna.
    Überrascht drehte sich Gaia zu der älteren Frau um. Ihre schwarzen Augen unter dem Strohhut blickten offen zurück, dann hob sie leicht die Augenbrauen. Von allem, was Myrna je zu ihr gesagt hatte, kam dies einem Lob am nächsten.
    »Ich bringe sie zurück ins Gefängnis«, sagte Captain Grey.
    Gaia und der Wachmann an ihrer Seite sahen überrascht auf. Captain Grey nickte. »Gehen Sie weiter, Sergeant«, sagte Captain Grey entschlossen. »Ich übernehme die Verantwortung für Schwester Stone.«
    »Jawohl, Captain.« Die Wache salutierte.
    Gaia wollte partout nicht mit ihm zurückgelassen werden, aber sie konnte auch schlecht protestieren. Myrnas Züge hatten den gewohnt ironischen Ausdruck angenommen. Mit einem gebieterischen Schnauben schnappte sie sich ihre Arzttasche aus Gaias Griff, und einen Moment später marschierten die Wachen mit Myrna in ihrer Mitte im Gleichschritt um die nächste Ecke. Der Klang ihrer Schritte verlor sich auf dem Kopfsteinpflaster, und Gaia hörte das Klappern von Porzellan aus dem Café an der Ecke, als die Welt sich weiterdrehte.
    Gaia war allein mit Captain Grey. Es war unerwartet schmerzhaft, vor ihm zu stehen, auch wenn sie der Freiheit schon lange nicht mehr so nahe gewesen war wie in diesem Moment. Sie blickte an ihm vorbei den Hügel hinab und fragte sich gerade, ob sie es wagen würde, zu rennen, als er fragte: »Dir geht es gut?«
    Beim Klang seiner leisen Stimme sah sie in die Schatten unter seinem Hut. Seine blauen Augen betrachteten sie mit derselben ruhigen Ernsthaftigkeit, an die sie sich von früher erinnerte; bevor sie gewusst hatte, wie er wirklich war. Etwas Farbe war in seine Wangen gestiegen. Wieso fragst du das? , dachte sie. Was kümmert es dich?
    Eine Brise wirbelte ihr graues Kleid um ihre Beine, und unwillkürlich strich sie es wieder glatt. »Wie du siehst«, antwortete sie kühl.
    Er machte eine einladende Geste mit der Hand. »Gehen wir ein paar Schritte?«
    »Habe ich denn eine Wahl?«, fragte sie und wünschte sofort, es nicht gesagt zu haben. Er brauchte nicht zu wissen, wie wütend sie auf ihn war.
    »Ah«, murmelte er nur, ging los, und sie war gezwungen, Schritt zu halten.
    Es war ein schöner, klarer Nachmittag, und sie gingen gemächlich die gewundene Straße in eine der

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