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The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume

The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume

Titel: The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O'Brien Caragh
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hatte Norris noch nie mit ihr geredet. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und spürte die Hitze in ihre Wangen hochsteigen. Wirklich zu wissen, dass Leon in Schwierigkeiten steckte, ja litt, machte es definitiv noch schlimmer.
    Norris stupste gegen das Paket auf dem Tisch. »Du könntest das ja mal aufmachen.«
    »Versprich mir, dass du’s mir erzählst, wenn du wieder etwas von Leon hörst!«
    Statt einer Antwort zeigte er nur wieder auf das Paket.
    »Was ist da drin?«
    »Mein Cousin ist Schuster. Er hatte das Paar übrig. Sieht ja nun mal so aus, als ob du noch eine ganze Weile hier sein würdest – und mir geht dein Getrampel allmählich auf den Geist. Also hab ich mir mal die Größe deiner Stiefel abgezeichnet.«
    Sie packte das Paket aus und fand darin ein Paar neue, weiche Lederschuhe, zierlich und mit dünnen, biegsamen Sohlen. Die Überraschung ließ sie ihre Nervosität für einen Augenblick vergessen. »Für mich?« Sie konnte es kaum glauben. Sie schlüpfte aus einem ihrer Stiefel und probierte den Schuh an, zog ihren Rock etwas hoch und drehte prüfend den Knöchel. Man konnte deutlich die Tätowierung am Gelenk sehen.
    Sie bedachte Norris mit einem verwunderten Blick. Offensichtlich wollte er sie auf andere Gedanken bringen. »Das wäre doch nicht nötig gewesen.«
    Er zuckte die Achseln und wandte sich wieder dem Herd zu. »Vielleicht mag ich deine Sturheit ja irgendwie. Es hat sich schon lange niemand mehr der Matrarch widersetzt. Zumindest keins der Mädchen.«
    »Es war keine Absicht.«
    »Nein.« Er blickte kurz auf. »Aber getan hast du’s dennoch. Und du tust es immer noch – mit jedem neuen Tag hier drin.«
    Gaia hätte nicht erwartet, dass sie ein Zeichen setzte, das irgendwem auffiel, geschweige denn jemand beeindruckte. »Du weißt doch nicht mal, weshalb ich in Schwierigkeiten stecke.«
    »Ich weiß, dass es mit der Kiste zu tun hat, die Sawyer im Garten gefunden hat.«
    Sie erinnerte sich nur zu gut an die Kiste. »Wissen denn viele davon?«
    »Es gab ein paar Gerüchte. Die meisten in der Schwesternschaft stehen hinter der Entscheidung der Matrarch, sonst hätte sie das gar nicht machen können.«
    Die meisten , dachte sie. Also nicht alle. »Und die Männer?«
    »Ich kann nur für mich selbst sprechen. Und ich für meinen Teil gehe dieser Frau aus dem Weg.«
    Danach wurde es nur noch schlimmer. Jeden Tag hoffte sie auf Nachricht von Norris, aber er brachte nur selten Neuigkeiten, und der Inhalt war immer derselbe: Ja, Leon saß noch immer im Gefängnis. Nein, Norris wusste nicht, ob er sich wieder in Einzelhaft befand. Nein, er wusste auch nicht, ob es Leon gut ging oder nicht. Sie begann sich zu fragen, ob er ihr bewusst Dinge vorenthielt, damit sie sich nicht aufregte.
    Das Mutterhaus begann sich derweil immer enger und kleiner anzufühlen. Die Wände schienen um Gaia zusammenzurücken, und mehr als einmal musste sie gegen einen Anflug von Platzangst ankämpfen. Dabei tat sich draußen so viel. Eines Abends gab es ein großes Essen auf dem Dorfplatz, und Gaia half die Teller bis zur Tür zu tragen, aber nicht weiter. Als Nächstes kam das Spiel der Zweiunddreißig, ein Wettkampf auf einem Platz nördlich des Dorfs, und während sie den Abwasch machte, konnte sie den Jubel von dort hören und fühlte sich schmerzhaft ausgeschlossen. Einmal verfolgte sie von einem der Fenster des Atriums aus, wie drei junge Männer an den Pranger gestellt wurden. Sie hatten das Mikroskop gestohlen, mit dem die Fruchtbarkeitstests durchgeführt wurden. Am nächsten Tag wurden Männer bestraft, weil sie ihre Frauen geschlagen oder betrunken eine Schlägerei angezettelt hatten.
    Diese öffentlichen Bestrafungen erinnerten Gaia verlässlich daran, was mit ihr geschehen würde, wenn sie je das Mutterhaus verließ: Die Matrarch würde Wort halten, und sie würde ebenso enden wie der Mann in der Oase. Wenn Gaia sich ihr aber niemals fügte, Peony nie verriet, bliebe sie im Mutterhaus lebendig begraben, und Leon säße auf alle Zeit im Gefängnis.
    Wie sie die Sache auch drehte und wendete, sie sah keinen anderen Ausweg, als sich der Matrarch zu beugen.
    Je länger ihre Gefangenschaft andauerte, desto größer wurden die Zweifel. Nachts wanderte sie, von Schlaflosigkeit getrieben, an den Fenstern im Obergeschoss des Atriums auf und ab. Das Dorf schlummerte friedlich unter dem Sternenzelt, ein gleichmäßiges, warmes Violett, das nur vom gelegentlichen Licht einer Lampe in einem der Fenster

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