The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
willst du denn mit einem Baby?«, fragte die Matrarch ratlos.
»Das brauche ich nicht zu erklären.«
»Wir würden nie zulassen, dass einem Kind Leid widerfährt«, sagte die Matrarch.
»Es wird ihr kein Leid widerfahren – im Gegenteil. Ich werde mich mit aller Hingabe um sie kümmern.«
Jede Faser ihres Körpers sträubte sich gegen diese Vorstellung. Sie wollte nicht, dass ihre Schwester unter Leons Kontrolle geriet – nicht, wenn er so war wie im Moment. Es wäre Gaia eine Qual, wenn Maya auf seine Pflege und Zuneigung angewiesen wäre. Und voller Schrecken wurde ihr klar, dass es ihm genau darum ging.
»Er will, was mir gehört«, sagte Gaia.
Die Matrarch schüttelte den Kopf. »Maya gehört dir aber nicht, junge Gaia. Das weißt du. Ich habe sie Lady Adele auf der Insel zur Pflege gegeben. Dort bleibt sie auch.«
»Lady Adele kann gern mit zur Hütte des Siegers kommen oder eine Amme schicken, wenn sie will. Das ist mir egal.« Leons Tonfall war jetzt unverkennbar streitlustig. »Werdet Ihr Euch nun an Eure eigenen Gesetze halten oder nicht?«
Dominik trat vor. »Werft den Krim wieder ins Gefängnis und bläut ihm Manieren ein.«
Schon drängten die Wachen auf Leon ein. »Matrarch!«, rief Leon gebieterisch. Er versuchte, sich freizukämpfen, aber sie zwangen ihm die Arme auf den Rücken. »Ihr habt mir gerade die Rechte des Siegers zugesprochen. Die Rechte, die ich mir verdient habe. Alle Stimmberechtigten hier waren dafür. War das alles nur eine Farce?«
Die Stimme der Matrarch war unbarmherzig. »Die einzige Farce war jene, die du selbst veranstaltet hast«, sagte sie. »Du musst dich immer noch unseren Gesetzen unterordnen, wie jeder Mann in Sylum.«
»Aber das tue ich«, beharrte Leon. »Ihr seid es, die nicht Wort hält. Ich verlange Maya Stone in der Hütte des Siegers, für einen Monat. Schickt mit, wen Ihr wollt, um für sie zu sorgen – aber ich fordere sie als meinen Preis. Das ist mein Recht. Soweit ich das beurteilen kann, ist es das einzige Recht, das ich habe. Das einzige Recht, das irgendein Mann hier hat.«
Ein unzufriedenes Murren breitete sich unter den Männern aus, als ihnen dämmerte, dass Leon die Wahrheit gesprochen hatte, und alle konnten es hören. Die Matrarch konnte Leons Forderung nicht ausschlagen, ohne eine Rebellion zu riskieren.
»Dass Eure Gesetze Schlupflöcher haben, ist nicht mein Problem«, fügte Leon spöttisch hinzu. »Vielleicht habt Ihr nicht an alles gedacht.«
Eine der Wachen schlug ihm in die Magengrube, und Leon krümmte sich stöhnend zusammen.
»Lasst ab von ihm«, sagte die Matrarch.
Leon kämpfte sich frei und spuckte ins Gras.
»Ist schon in Ordnung«, sagte die Matrarch zu ihrem Mann, der ihr wieder etwas ins Ohr flüsterte. »Er weiß, wovon er redet. Hör mir gut zu, Vlatir: Du wirst das Baby bekommen. Es ist dein Recht. Aber wenn du dem Kind oder Lady Adele, die sich darum kümmern wird, auch nur die geringsten Schwierigkeiten bereitest, wirst du zurück ins Ödland geschickt.«
»Mehr will ich gar nicht«, erwiderte Leon trocken.
»Junge Gaia, du wirst ihn gleich morgen früh zu Lady Adele begleiten. Ich gebe dir eine Nachricht für sie mit.«
»Jawohl, Mylady.«
Die Matrarch hob wieder ihre Hand zu der wartenden Menge. »Die Zeiten ändern sich für Sylum. Für uns alle. Das spürt ihr doch ebenso wie ich, oder nicht?« Die Offenheit der Frage traf wie ein Blitz in die Herzen ihrer Zuhörer, und die Luft schien geradezu zu vibrieren, erst vor Überraschung, dann Argwohn, dann Neugierde. Gaia konnte über diese plötzliche Zurschaustellung von Macht nur staunen. Die Matrarch beeinflusste die Menschen nicht direkt; was sie tat, war viel gewaltiger: Wie ein Blitzableiter bündelte sie das, was bereits in ihnen war, und gab ihm eine Richtung.
»Wir können Angst davor haben oder den Wandel begrüßen«, fuhr die Matrarch fort. »Gebt acht aufeinander. Helft eurem Nächsten. Kommt zu mir, wenn ihr mit mir reden wollt. Wir werden unseren Weg schon finden. Das haben wir immer.«
Da kam auf einmal Bewegung in die Menge, und eine junge Stimme rief von fern: »Matina!«
Die Matrarch wandte leicht den Kopf, und Gaia konnte regelrecht fühlen, wie jedermann auf den Hall der Glocke lauschte – einen Klang, der nicht einmal da war, doch in der kollektiven Vorstellung der Menschen nur umso lauter tönte, drei volle Schläge. In dieser gespannten Stille legte sich die Matrarch nun die Hand aufs Herz, und in einer großen, schweigenden Welle
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