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The Green Mile

The Green Mile

Titel: The Green Mile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Mir war natürlich klar gewesen, dass dies zur Sprache kommen würde, aber ich wusste immer noch nicht, wie ich ihnen erzählen sollte, was ich wusste. Brutal half mir.
    »Du glaubst nicht, dass er es getan hat, Paul?« Er schaute mich ungläubig an. »Du hältst diesen großen Einfaltspinsel für unschuldig.«
    »Ich bin mir sicher, dass er unschuldig ist«, sagte ich.
    »Wie kannst du das sein?«
    »Aus zweierlei Gründen«, sagte ich. »Einer ist mein Schuh.« Ich neigte mich vor und begann zu erzählen.

Teil fünf
    Eine nächtliche Reise

1
    Mr. H. G. Wells schrieb einmal eine Geschichte über einen Mann, der eine Zeitmaschine erfindet, und ich habe beim Aufschreiben dieser Erinnerungen entdeckt, dass ich meine eigene Zeitmaschine erschaffen habe. Im Gegensatz zu Wells kann meine jedoch nur in die Vergangenheit reisen – zurück ins Jahr 1932, um genau zu sein, als ich der Obermotz in Block E des Staatsgefängnisses Cold Mountain war -, aber trotzdem ist sie dabei unheimlich wirkungsvoll. Diese Zeitmaschine erinnert mich an den alten Ford, den ich damals fuhr; man konnte sich sicher sein, dass er irgendwann starten würde, aber man wusste nie, ob ein Drehen des Schlüssels genügte, um den Motor anzulassen, oder ob man aussteigen und kurbeln musste, bis einem praktisch der Arm abfiel.
    Ich hatte viele leichte Starts, seit ich damit begann, die Geschichte von John Coffey zu erzählen, aber gestern musste ich kurbeln. Ich nehme an, das lag daran, dass ich bei Delacroix’ Hinrichtung angelangt war und ein Teil meines Verstandes das nicht noch einmal durchleben wollte. Es war ein schlimmer Tod, ein schrecklicher Tod, der wegen Percy Wetmore so eintrat, wie er eintrat. Percy, ein junger Mann, der gern sein Haar kämmte, es jedoch nicht ertragen konnte, ausgelacht zu werden, nicht einmal von einem fast kahlköpfigen kleinen Franzosen, der das nächste Weihnachtsfest nicht erleben würde.
    Wie bei den meisten unangenehmen Aufgaben ist der Anfang am schwersten. Dem Motor ist es egal, ob man den Schlüssel benutzt oder die Kurbel; wenn er erst einmal angelassen wurde, läuft er wie am Schnürchen. So war es gestern bei mir. Zuerst kamen die Wörter in kleinen Schüben, dann in ganzen Sätzen, dann in einem Sturzbach. Das Schreiben ist eine besondere und ziemlich furchterregende Form der Erinnerung, habe ich festgestellt – es hat etwas Totales, das beinahe an Vergewaltigung grenzt. Vielleicht empfinde ich das nur so, weil ich ein sehr alter Mann geworden bin (was hinter meinem Rücken passierte, wie ich manchmal denke), aber ich bezweifle das. Ich glaube, die Kombination von Bleistift und Erinnerung schafft eine Art angewandte Magie, und Magie ist gefährlich. Als jemand, der John Coffey kannte und sah, was er bewirken konnte – bei Mäusen und Menschen -, fühle ich mich sehr berufen, das zu sagen.
    Magie ist gefährlich.
    Jedenfalls schrieb ich gestern den ganzen Tag, die Worte fluteten einfach aus mir heraus, der Wintergarten dieses hochgejubelten Altenheims wurde durch den Lagerraum am Ende der Green Mile ersetzt, wo so viele meiner Problemkinder auf dem elektrischen Stuhl Platz nahmen, und durch die Treppe, die in den Tunnel unter der Straße führt. Dort konfrontierten Dean und Harry und Brutal und ich Percy Wetmore angesichts Eduard Delacroix’ rauchender Leiche, und wir ließen Percy sein Versprechen erneuern, sich nach Briar Ridge zur staatlichen Nervenheilanstalt versetzen zu lassen.
    Es gibt immer frische Blumen im Wintergarten, aber gestern Mittag roch ich nicht ihren Duft, sondern den Gestank des verbrannten Fleischs eines Toten. Das Geräusch des Rasenmähers unter dem Fenster wurde zum dumpfen Tröpfeln von Wasser, das von der gewölbten Decke des Tunnels fiel. Der Ausfug begann. Ich war mit Seele und Verstand, wenn auch nicht mit dem Körper, ins Jahr 1932 zurückgereist.
    Ich ließ das Mittagessen ausfallen, schrieb bis ungefähr sechzehn Uhr, und als ich den Bleistift hinlegte, schmerzte meine Hand. Ich ging langsam hinab zum Ende des Flurs im ersten Stock. Dort gibt es ein Fenster, das auf den Parkplatz der Angestellten blickt. Brad Dolan, der Pfleger, der mich an Percy erinnert – und der allzu gern wissen würde, wo ich hingehe und was ich auf meinen Spaziergängen mache -, fährt einen alten Chevrolet mit einem Aufkleber ICH HABE GOTT GESEHEN, UND SEIN NAME WAR NEWT. Der Wagen war weg; Brads Schicht war vorüber, und er war in das Kaff gefahren, wo er zu Hause ist. Ich stelle mir einen

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